Die Coronavirus-Pandemie hat zum massivsten Einbruch der Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg geführt. Der Klimaschutz ist dadurch aber laut Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) keineswegs ins Hintertreffen geraten. „Ganz im Gegenteil – sowohl auf EU-Ebene als auch in Österreich ist der Klimaschutz ein ganz wesentlicher Bestandteil der Konjunkturprogramme“, betonte die Ministerin im Rahmen einer Online-Veranstaltung von „Die Zeit“.
„Genau jetzt ist der Zeitpunkt, die Weichen richtig zu stellen“, sagte Gewessler. „Das Ziel 2040/2050 ist klar – 2040 Klimaneutralität in Österreich, 2050 in Europa.“ Für die Standortpolitik bräuchten die Unternehmen Klarheit. „Diese Klarheit vermittelt die EU mit dem ‚Green Deal‘.“ Den CEOs der großen Konzerne „ist bewusst, das ist jetzt ihre Aufgabe“, so die Ministerin. Die Märkte erwarteten das von ihnen – und auch die finanzierenden Banken. Für einen Kredit müssten die Unternehmen auch die Frage nach ihrem Decarbonisierungsplan beantworten. „Es sind ganz viele, die sich auf den Weg machen, denn sie erkennen, die Wettbewerbsfähigkeit der Zukunft sind grüne Prozesse.“
Erst gestern gab das EU-Parlament grünes Licht für ein verschärftes Klimaziel bis 2030. Die Abgeordneten stimmten für eine Reduktion der Treibhausgase um 60 Prozent im Vergleich zu den Werten von 1990 als Zwischenziel auf dem Weg zur Klimaneutralität der Europäische Union.
„Da drängt die Zeit“, weiß auch die Ministerin. Das Ziel 2040/2050 stehe vor der Tür: Das heiße, massiv CO2 zu reduzieren. „Raus aus Öl, Kohle, fossilem Gas – da führt bei Klimaneutralität 2040 kein Weg vorbei“, betonte die Ministerin.
Doch die Luftverschmutzung hat bis zuletzt zugenommen. „Ja, wir sind im Klimaschutz in Österreich noch auf Aufholjagd – 2019 sind die Emissionen weiter gestiegen und das darf uns nicht wieder passieren“, räumte Gewessler ein. Aber: „Wir haben soviel Geld für den Klimaschutz wie noch nie in Österreich“, meinte sie und verwies auf die jährliche Klimaschutzmilliarde. 2020 würden die CO2-Emissionen weltweit sinken, aber nur aufgrund der Coronakrise. „Die Krise ersetzt keine Klimapolitik, ist eine Zäsur und ermöglicht die Entwicklung neu zu gestalten.“
Aus dem heurigen Jahr für den Klimaschutz mitnehmen könne man auf jeden Fall die Home-Offices , Video-Konferenzen statt Flüge nach Brüssel, eine verstärkte Förderung des öffentlichen Verkehrs und der E-Mobilität. „Klimaschutz ist das zentrale Element am Weg aus dieser Krise“, bekräftigte die Umweltministerin.
Diesem „Hype“ hält Rainer Seele als CEO des größten österreichischen Öl- und Gaskonzerns OMV entgegen: „Wir können die Wirtschaft nicht retten, indem wir Solarzellen aufs Dach schrauben und Windräder aufstellen – wir müssen Arbeitsplätze auch mit einer gewissen Diversifizierung der Wirtschaft erhalten.“ Europa müsse auch weltweit wettbewerbsfähig bleiben. „Wir müssen zu wettbewerbsfähigen Konditionen die Produktion hier erhalten“, so der OMV-Chef. Um die Energiewende zu schaffen, könne man sich nicht komplett von Erdgas abwenden, sagte er und verwies auf die notwendige Netzwerkstabilität. Anders beim Erdöl: „Die OMV bereitet sich darauf vor, dass sie weniger Kraftstoffe herstellt – da werden wir schrumpfen:“
Der Umbruch wird nicht ohne Schmerzen verlaufen: „Es gibt Branchen, die haben eine große Herausforderung vor sich, eine große Aufgabe“, sagte Gewessler mit Blick auf die Luftfahrt und energieintensive Industriezweige wie etwa die Zementproduktion. Auch für die Umstellung der Stahlindustrie brauche es eine längerfristige Perspektive. Doch: „Das ist kein Entweder-oder mehr – wir werden mit dem Klimaschutz nach vorne gehen. Wir wollen im Klimaschutz Tore machen und nicht nur verteidigen.“
APA