Der deutsche Außenminister Heiko Maas hat die Türkei vor weiteren Provokationen gegenüber Griechenland und Zypern im östlichen Mittelmeer gewarnt.
„Falls es tatsächlich zu neuerlichen türkischen Gasexplorationen in den umstritteneren Seegebieten im östlichen Mittelmeer kommen sollte, wäre das ein herber Rückschlag für die Bemühungen um Deeskalation – und damit auch für die Fortentwicklung der EU-Türkei-Beziehungen“, sagte Maas am Dienstag zum Auftakt einer Reise nach Zypern und Griechenland. Er besuche die beiden EU-Länder, um ihnen die „volle Solidarität“ Deutschlands zu versichern – auch in der Rolle als EU-Ratspräsidentschaft.
Unmittelbar vor der Reise hatte die Türkei am Montag angekündigt, das Forschungsschiff „Oruc Reis“ erneut zu seismischen Bodenuntersuchungen in das umstrittene Seegebiet südlich der griechischen Insel Kastelorizo zu schicken. Nach offiziellen türkischen Angaben ist sie mit zwei Begleitschiffen unterwegs. Griechische Medien berichteten von begleitenden Fregatten. Die Angaben konnten jedoch nicht verifiziert werden.
Ankara argumentiert, dass das Gebiet um die Inseln Kastelorizo und Rhodos zum Festlandsockel der Türkei gehöre. Einen ähnlichen Konflikt gibt es um die Insel Zypern, vor deren Küste schon reiche Erdgasvorkommen entdeckt wurden. Der Streit war im August eskaliert, hatte sich dann zwischenzeitlich aber wieder etwas entspannt.
Deutschland versucht seit Wochen zu vermitteln. Maas hatte bereits Ende August Athen und Ankara besucht und dabei eindringlich darauf hingewiesen, wie gefährlich die Lage ist. Der Streit habe sich zu einem „Spiel mit dem Feuer“ entwickelt, sagte er damals. „Jeder noch so kleine Zündfunke kann zu einer Katastrophe führen.“
Auf einen Besuch in Ankara verzichtete Maas diesmal. Das könnte auch mit der Entsendung der „Oruc Reis“ zusammenhängen. Ende vergangener Woche hatten griechische und türkische Medien noch berichtet, dass Maas alle drei Streitparteien besuchen wolle. Die Reise wurde vom Auswärtigen Amt aber erst am Montag offiziell angekündigt – ohne Ankara.
Maas rief alle Streitparteien dazu auf, an einem vernünftigen Nachbarschaftsverhältnis zu arbeiten. „Sondierungsgespräche können nur in einer konstruktiven Atmosphäre ans Ziel führen. Wir appellieren daher an die Türkei, dass das gerade geöffnete Dialogfenster mit Griechenland durch einseitige Maßnahmen nicht wieder zugestoßen wird“, sagte der Außenminister.
„Ankara muss das Wechselspiel zwischen Entspannung und Provokation beenden, wenn die Regierung an Gesprächen interessiert ist – wie sie es ja wiederholt beteuert hat.“ Sollte die Türkei die „Oruc Reis“ nicht zurückrufen, könnte das die Diskussion in der Europäischen Union über neue Sanktionen befeuern. Anfang Oktober hatten die Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfel in Brüssel noch darauf verzichtet, aber für den Fall neuer türkischer Maßnahmen im Erdgaskonflikt eine Reaktion angedroht.
USA warnt Türkei
Auch die US-Regierung hat die Türkei zu einem Rückzug der „Oruc Reis“ aufgefordert. „Wir fordern die Türkei dringend auf, diese kalkulierte Provokation zu beenden und unverzüglich Sondierungsgespräche mit Griechenland aufzunehmen“, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums am Dienstag in Washington.
Das Vorgehen der Türkei erhöhe die Spannungen in der Region, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums weiter. Ankara erschwere absichtlich die Wiederaufnahme der Sondierungsgespräche zwischen den NATO-Partnern Griechenland und der Türkei. „Nötigung, Drohungen, Einschüchterung und militärische Aktivitäten werden die Spannungen im östlichen Mittelmeerraum nicht lösen.“
Kurz kritisiert Türkei
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die erneute Entsendung der „Oruc Reis“ verurteilt. „Bei fortgesetzten Verletzungen des Völkerrechts drohen EU-Sanktionen“, betonte Kurz in Hinblick auf die jüngsten EU-Gipfelbeschlüsse. Die Entsendung zeige „einmal mehr, dass die Türkei unter Präsident Erdogan nur auf Druck seitens der EU reagiert und jegliches andere Verhalten als Zeichen der Schwäche wertet“, so Kurz. Auch die Öffnung des Strandes von Varosha auf Zypern sei ein klarer Verstoß gegen das seitens der UNO vermittelte Waffenstillstandsabkommen, schüre nur weiteres Misstrauen und untergrabe die Bemühungen für eine Friedenslösung für Zypern.
Kurz forderte erneut, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abgebrochen werden. Die Türkei entferne sich seit Jahren immer weiter von den europäischen Werten, was auch der jüngste Fortschrittsbericht der EU-Kommission klar belege.
APA/dpa