Strombranche – Versorgungssicherheit braucht Investitionen

26. Jänner 2021, Wien

Die Strombranche verweist angesichts des Beinahe-Blackout im europäischen Stromnetz auf die Wichtigkeit der Versorgungssicherheit. Österreich sei hier im europäischen Spitzenfeld, es gebe sie aber nicht automatisch, sie koste auch etwas. „Diese Versorgungssicherheit wird es nur dann geben, wenn wir in sie investieren“, so Michael Strugl, Verbund-Chef und Präsident von Oesterreichs Energie. Weitere Details gibt es nun zur Entstehung des Beinahe-Blackouts.

Am 8. Jänner gab es einen relativ großen Stromexport von circa 6.000 MW aus Südosteuropa in Richtung Westeuropa. Den Ursprung hatte die Frequenzstörung in einem Umspannwerk im kroatischen Ernestinovo (südlich von Osijek), berichtete Gerhard Christiner, technischer Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers APG, in einer Online-Pressekonferenz des Branchenverband Oesterreichs Energie. Dort treffen Leitungen aus Ungarn und Kroatien zusammen und gehen weiter weg in Richtung Serbien und Bosnien-Herzegowina. Durch den hohen Stromfluss, wurde die Kupplung überlastet. Diese sei durch eine Schutzfunktion geschützt und habe dann ausgelöst.

Das passierte am 8. Jänner gegen 14.05 Uhr. In einigen Sekunden seien auch die restlichen Leitungen überlastet gewesen – innerhalb von rund 43 Sekunden 14 Leitungen in Kroatien, Serbien und Rumänien ausgefallen. Dadurch teilte sich das europäische Stromnetz in zwei Regionen und ein Erzeugungsüberschuss in Südosteuropa konnte nicht mehr nach Zentraleuropa gebracht werden. In Südosteuropa gab es eine Frequenzabweichung um rund 600 mHz. In Westeuropa führte ein Erzeugungsdefizit zu einem relativ raschen Frequenzabfall von knapp 300 mHz. Das normale Betriebsniveau des Stromnetz sind 50 Hz.

Die daraufhin getätigten Schutzmechanismen hätten glücklicherweise funktioniert, so Christiner. Im Zuge der kurzfristigen Primärregelung seien in Westeuropa seien vor allem Kraftwerke eingesetzt und Frankreich und Italien zusätzlich Stromkunden abgeschaltet worden. In Südosteuropa seien die Kraftwerke vom Netz genommen. Die österreichischen Kraftwerke hätten perfekt reagiert. Eingesetzt wurden vor allem Wasserkraftwerke und auch eine Batterie. Zum Einsatz kam auch die sogenannte 15-Minuten-Reserve – Kraftwerke die innerhalb einer Viertelstunde zur Verfügung stehen vor allem Wasserkraftwerke, aber auch thermische Kraftwerke und Anlagen aus dem Industriebereich. Die Kooperation zur Behegung der Störung habe hervorragend funktioniert, auch auf europäischer Ebene, wurde heute betont. Um 15.08 Uhr waren die beiden Netzinseln laut APG-Angaben wieder synchronisiert und konnten anschließen zusammengeschaltet werden.

Es geht bei der Versorgungssicherheit nicht nur um kurzfristige, sondern auch um planbare Maßnahmen. Allein im Vorjahr hat die APG laut Christiner an 261 Tagen mittels Netzreserve zu Stabilisierung eingegriffen, die Redispatch-Kosten der APG lagen mit 134 Mio. Euro etwas niedriger als 2019 mit 147 Mio. Euro.

Ein großflächiger Stromausfall in Österreich bedeute Kosten von rund 1,18 Mrd. Euro am Tag, so Strugl. Versorgungssicherheit komme nicht automatisch, sie sei wertvoll, koste aber auch etwas. In die Netze müssten bis 2030 rund 18 Mrd. Euro investiert werden. Die Abschaltung von Kohle- und Atomkraftwerken in Deutschland werde die Situation verschärfen und möglicherweise Auswirkungen auf den Strompreis habe. Die E-Wirtschaft stehe angesichts der geplanten Transformation des Energiesystems vor enormen Herausforderungen. Es seien daher Maßnahmen nötig wie die Beschleunigung von Verfahren.

Die Branche hat daher fünf Themenfelder zur Wahrung der Versorgungssicherheit identifiziert, von der Bewusstseinsschärfung bis zur Cybersicherheit. Strugl nannte dabei heute etwa die Etablierung eines regelmäßigen Dialogs zwischen Politik, Verwaltung, Branchenvertretern, Wissenschaft und anderen Beteiligten oder die Einführung einer Abschätzung der Folgen auf Versorgungssicherheit bei Energiegesetzen. Weitere Punkte bei der Beschleunigung des Infrastrukturausbaus sind die Ermöglichung des Baus von gesicherter Leistung sowie Speicher. Wichtig sei auch ein Zusammenwirken der Gebietskörperschaften.  

Bei dem beschlossenen neuen Netzreserve-Regime in Österreich bleibt das Verfahren gleich. Es gibt künftig aber drei Produkte. Ein 2-Jahres-Produkt, ein 1-Jahres-Produkt und ein saisonales. Der Wunsch nach längerfristigen und zumindest dreijährigen Produkten habe die EU-Kommission nicht akzeptiert. 

APA