Finanztransaktionssteuer für die Öko-Transformation

21. April 2021, Wien
Richard David Precht, Philosoph und Publizist
 - Berlin, APA/dpa-Zentralbild

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht die von der E-Wirtschaft kritisch gesehenen Öko-Kriterien bei der Förderung von Erneuerbarer Energie als Mittel, um deren Ausbau zugunsten des Klimaschutzes mit Biodiversität unter einen Hut zu bekommen. Laut dem Philosophen Richard David Precht lässt sich über Geld-Anreize mehr Akzeptanz von Betroffenen naher Kraftwerke oder Stromleitungen erreichen. Eine Finanztransaktionssteuer sollte die Öko-Transformation mitfinanzieren.

Gewessler bezeichnete gerade die ökologischen Kriterien, wie sie im Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) geplant sind, am Mittwoch beim Oesterreichs-Energie-Kongress der heimischen E-Wirtschaft als taugliche Antwort auf Widersprüche zwischen Klimaschutz und Biodiversität – denn genau damit könne man Akzeptanz in der Bevölkerung aufbauen. Damit bezog sie sich auf zusätzliche Kriterien für den Ausbau von Wasserkraft oder von Photovoltaik (PV) auf Freiflächen, die der Präsident von Oesterreichs Energie, Michael Strugl, angesprochen hat.

Der geplante Ausstieg aus fossilen Energieträgern auch im Wärmebereich und bei der Mobilität werde „alle fordern“, sagte die Umweltministerin. „Die Zeit drängt, wir müssen ins Tun, ins Handeln kommen.“ Alle müssten flexibler werden, auch in der Energiewirtschaft, und man müsse sich von manchen alten Strukturen verabschieden. „Wir sind in einer Umbau-Dynamik.“ Privilegien für fossile Energie, das passe nicht zu einer 100-Prozent-Erneuerbaren-Zielsetzung.

Um die Menschen in der Energiewende mitzunehmen, seien Betroffenheiten und Sorgen von Menschen bei Kraftwerken und Stromleitungen verständlich, meinte Strugl. Wichtig sei daher, dass es transparente Prozesse gebe und eine Partizipation an Lösungen, damit Betroffene zu Beteiligten werden könnten. Man wolle aber auch „keine Verhinderungspolitik“ etwa durch Anwälte oder Gutachter mit der Absicht „wie kann ich ein Projekt verhindern“.

Der deutsche Philosoph Precht plädierte in seiner Keynote dafür, die Anrainer solcher Projekte selbst oder über ihre Gemeinden an Benefits teilhaben zu lassen: „Die unmittelbar Betroffenen sollten finanziell mitprofitieren.“ Man dürfe sich über Widerstand nicht wundern: „Die haben ja nichts gegen Windkraft, sondern wollen sie nur an ihrem Standort nicht.“ Eine unmittelbare direkte Bürgerbeteiligung könne zweifellos die Akzeptanz erhöhen.

„Unfassbar viel Geld für die ökologische Transformation“ hätte man laut Precht, würde man die Einnahmen aus dem großen Topf einer Finanztransaktionssteuer einbeziehen. Die Steuer solle ja dort ansetzen, wo sich Geld ohne Arbeit vermehre – 0,1 bis 0,2 Prozent würden wohl ausreichen, um die Akzeptanz für die „Nachhaltigkeits-Revolution“ zu erhöhen. Für den Philosophen hat die heutige Umwälzung, die er in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit sieht, die gleiche Wucht wie die seinerzeitige erste industrielle Revolution. Während diese damals auch das Ende der Herrschaft von Adel und Kirche bedeutet habe, werde die zweite Maschinenzeitalter-Revolution samt Digitalisierung und Nachhaltigkeit ein so enormes Potenzial haben, „dass wir in eine neue Art von Gesellschaft kommen“. Nicht nur die Energiewirtschaft werde da verändert, das sei eher ein kleiner Teil, sondern „unsere Art zu leben, zusammenzuleben und auch der Arbeitsbegriff“. Nicht die Hand, sondern das Gehirn werde diesmal ersetzt. Bei der Digitalisierung hat Precht nichts gegen nützliche anonyme Daten, lehnt es aber ab, wenn Menschen „ausspioniert“ würden, um ihnen etwa via Werbung „Geld aus der Tasche zu ziehen“.

APA