Gaspreisanstieg im Blick der Märkte

13. Oktober 2021, Frankfurt

Die weiter steigenden Erdgaspreise verstärken die Inflationssorgen der Marktteilnehmer. In diesem Zusammenhang ist Großbritannien besonders schwer betroffen, denn der Gilt-Bondmarkt spürte in dieser Woche erste Einflüsse. Die Renditen der zehnjährigen Gilts stiegen an. „Im Vereinigten Königreich kletterte der Großhandelspreis für Erdgas auf einen neuen Rekord, bis sich auf einen Wink von Wladimir Putin der Preisanstieg beruhigte. Während den Anlegern mit Blick auf die Auswirkungen der Energiepreise auf den Verbraucherpreisindex nichts Gutes schwant, stiegen die Break-even-Sätze für zehnjährige inflationsgebundene britische Staatsanleihen auf mehr als 4 % – ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die Inflationserwartungen zunehmend vom Inflationsziel der Bank of England abkoppeln“, sagt Mark Dowding, Chief Investment Officer bei Bluebay Asset Management, zu den explodierenden Erdgaspreisen, der Energieautarkie der USA und Europas Annäherung an Wladimir Putin.


Das Erdgasangebot sei nach wie vor knapp, und zwar noch bevor die kalte Wintersaison mit ihren Nachfragespitzen beginne. Die politischen Entscheidungsträger in Europa würden sich allmählich der Tatsache bewusst werden, dass der Kontinent durch seine umweltfreundliche Politik immer abhängiger von russischen Energieimporten werde. Dies könnte nach Ansicht des Experten in den kommenden Jahren zu verstärkten Investitionen sowohl in erneuerbare Energien als auch Kernenergie führen. Kurzfristig sei jedoch guter Rat teuer.


Anderes Bild in den USA
Im Moment sehe es so aus, als ob der Kontinent alles daransetze, Russland zu umgarnen. Das Vereinigte Königreich werde akzeptieren müssen, dass es nicht mehr in der Lage sei, andere zur Räson zu bringen. Derweil entspreche das derzeitige Niveau der Gasgroßhandelspreise in Europa, in Relation zu den Ölpreisen gesetzt, einem Preis von fast 250 Dollar pro Barrel (159 Liter). Ein ganz anderes Bild ergebe sich in den USA. Da das Land energieautark sei, hätten sich die Gaspreise in wesentlich geringerem Maße bewegt. Weil die Inflation in den USA aber bereits deutlich über dem Zielwert der Fed liege, dürfte das hohe US-Preisniveau gleichwohl länger anhalten als prognostiziert. Der Aufwärtsdruck auf die Löhne angesichts der starken Nachfrage nach Arbeitskräften führe auch zu einem Umdenken innerhalb der Fed, wie im Zuge ihrer jüngsten Sitzung deutlich geworden sei. „Tatsächlich könnte die Pandemie die Erwerbsbeteiligung älterer und weiblicher Arbeitnehmer dauerhaft verringert haben, was offenbar zum Teil mit einer Neubewertung der Prioritäten im Leben zusammenhängt“, führt Dowding weiter aus.


Selbst wenn die höhere Inflation in den USA eine Folge der starken Konjunkturentwicklung und der robusten Nachfrage sei, könnte sie zulasten des Wachstums in Europa und im Vereinigten Königreich gehen. „Wir sind der Ansicht, dass diese Divergenz die Aussichten für den US-Dollar stützt“, sagt der Experte. Man gehe davon aus, dass das europäische Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP im März auslaufe. Gleichzeitig rechne man mit der Weiterführung der Ankäufe von Vermögenswerten. „Weil die Inflationserwartungen in Europa wohl fester verankert sind, sehen wir hier mehr Spielraum für eine weiterhin lockere Geldpolitik“, so seine Einschätzung.

Börsen-Zeitung