Was stimmt? Gasverträge bis 2040, Lieferstopp und Biogas

1. Juni 2022

Welche Verträge mit Russland gibt es? Was wären Alternativen? Hat die Regierung einen Plan für die Energiewende?

In der ORF-Diskussion „Im Zentrum“ zum Thema „Notfall Gas – Österreich unter Druck“ flogen durchaus die Fetzen. Der KURIER macht den Faktencheck zur Sendung.

Hat die OMV Verträge überGaslieferungen bis 2040 mit Russland, die jedenfalls bezahlt werden müssen?Ja. 2018 wurden die Verträge der OMV mit Gazprom über Gaslieferungen bis 2040 unterschrieben, die 80 Prozent des heimischen Bedarfs decken sollen. Zur Verteidigung sollte erwähnt werden, dass man von einem steigenden Gasbedarf und einer sinkenden Eigenproduktion in der EU ausging, als die Verträge 2018 unterzeichnet wurden, und die Regierung vom Deal begeistert war. Selbst wenn die Verträge vorzeitig gekündigt werden, muss Österreich bezahlen, auch wenn kein Gas fließt. Das wird den Russen durch eine branchenübliche „Take-or-Pay“-Klausel garantiert. Im österreichischen Vertrag umfasst diese Klausel allerdings unüblich hohe rund 95 Prozent der maximalen Liefermenge. Heute entpuppen sich die Vereinbarungen immer mehr als Knebelverträge mit einem Milliarden-Risiko für die OMV. Allein 2022 wird Österreich/die OMV für das russische Gas entsprechend den Marktpreisen etwa sechs Milliarden Euro zahlen.

Die Industrie sagt, sie kennt keine Pläne, was bei einem plötzlichen Lieferstopp passiert. Gibt es diese?Im Worst-Case-Szenario, wenn die Lieferungen vollständig gestoppt werden, tritt der Energielenkungsfall ein. Dann muss die Energieministerin tätig werden, sie regelt mittels Verordnung, wie das restliche Gas an wen verteilt wird. Klar ist, dass zuerst die Industrie (Stromproduktion und Gas-intensive Branchen) zuerst kein Gas mehr bekommen, als Letztes wird Haushalten und Einrichtungen wie Pensionistenheimen oder Spitälern der Hahn abgedreht. Was der Industrie fehlt, das ist Klarheit, wo die Energieministerin Alternativen für das Russengas bei einem Lieferstopp herbekommen will. Inwieweit kann die Eigenproduktion im Inland von Erdgas gesteigert werden? Inwieweit haben wir Zugang zu Flüssiggas (die OMV ist an einem LNG-Terminal in Rotterdam beteiligt)? Ist norwegisches Gas eine Option? Auch hier haben wir eine Beteiligung mit drei Milliarden Kubikmeter (ein Drittel unseres Gasverbrauchs). Und besteht die Möglichkeit, relativ kurzfristig Erdgasvorkommen wie an der rumänischen Schwarzmeerküste anzuzapfen, wo OMV-Tochter Petrom Lizenzen zur Förderung hat? Dazu ist kein Plan bekannt.

Wie sehr kann man auf in Österreich erzeugtes Biogas im Fall eines Importstopps aus Russland zählen? „Biogas ist der Champagner der Energiewende“, sagte Katharina Rogenhofer (Klimavolksbegehren). Gemeint ist damit, dass es teuer ist und nur für spezielle Anlässe verwendet werden soll. Etwa für jene Industrieprozesse, die nur sehr schwer auf das mit über 2.000 °C verbrennende Erdgas verzichten können. Biogas sollte deshalb nicht in das Gasnetz für Gasheizungen eingeleitet werden, da dort nur niedrige Temperaturen (60 °C Warmwasser, 21 °C für Heizungen) benötigt werden.

Stockt die Energiewende in Österreich? Ja. Es gibt im Strombereich das Ziel, bis 2030 zu hundert Prozent Strom nur noch aus heimischen, erneuerbaren Quellen (Wasser, Wind, Sonne, Biomasse) zu generieren. Dafür müsste etwa 50 Prozent mehr Ökostrom als heute erzeugt werden. Tatsächlich darstellen lassen sich aber nur etwa 40 Prozent des Ausbauziels, aufgrund von zu wenigen Standorten und Genehmigungen in den Bundesländern.

Kurier