
Zur Rettung des angeschlagenen deutschen Energiekonzerns Uniper werden Experten zufolge wohl auch die Gaskunden zur Kasse gebeten werden. „Die Regierung scheut sich, den Gasverbrauchern klar zu machen, wohin sich die Preise entwickelt haben und werden“, sagte der Portfoliomanager der Fondsgesellschaft Union Investment, Thomas Deser, in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters.
„Die Weitergabe der gestiegenen Kosten ist politischer Sprengstoff. Früher oder später kommt es aber ohnehin dazu.“ Eine Kostenweitergabe würde bei den Gaskunden eine deutlichere Verhaltensänderung beim Verbrauch bewirken. „Das will die Politik ja auch.“
Deutschlands größter Gaskonzern Uniper schreibt hohe Verluste. Da der Hauptlieferant Russland seine Gaslieferungen reduziert hat, muss Uniper Gas am teuren Spotmarkt zukaufen, um seine Kunden wie vereinbart zu versorgen. Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach hat den Staat um Hilfe gebeten. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat diese zugesagt, aber bisher offengelassen wie. Neben Bürgschaften und Krediten gehört auch ein Einstieg des Bundes bei Uniper zu den Optionen. Hierfür machen sich der Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi stark.
„Eine Staatsbeteiligung ist eher unwahrscheinlich“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer, gegenüber Reuters. Ein Problem wäre die Beteiligung an russischen Kohlekraftwerken. „Die will man zwar seit geraumer Zeit verkaufen. Ich kenne aber niemanden, der russische Kohlekraftwerke kaufen will.“ Zudem würde sich Deutschland über Uniper an schwedischen Atomkraftwerken beteiligen. „Das wäre alles politisch sehr brisant.“ Er gehe davon aus, dass am Ende die Kosten auf mehrere Schultern verteilt werden. „Dazu gehört auch, dass ein Teil der höheren Kosten auf die Gaskunden umgelegt wird. Daneben könnte der Staat mit Krediten helfen. Und vielleicht findet man noch eine weitere Möglichkeit.“
Am Donnerstag reist einem Insider zufolge die finnische Europaministerin Tytti Tuppurainen nach Berlin, um über eine mögliche Rettung des größten deutschen Gas-Importeurs zu verhandeln. Geplant seien Treffen mit der Regierung sowie Managern von Uniper und dessen finnischem Mehrheitsgesellschafter Fortum. Während Deutschland die Finnen bei der Hilfe mit ins Boot holen will, sehen diese vor allem die Berliner Regierung in der Pflicht. Im Gespräch ist von finnischer Seite eine Lösung, wonach die schwächelnden Geschäfte von Uniper in eine Tochter abgespalten werden, an der sich Deutschland beteiligen könnte.
Hechtfischer hält nichts davon. „Eine Abspaltung der schwächelnden Geschäfte wie sie Fortum vorschlägt müsste von einer Hauptversammlung beschlossen werden.“ Das gehe aber nicht kurzfristig. „Da kann es Anfechtungen geben. Das geht nicht von heute auf morgen.“ Angesichts der hohen Verluste müsse es aber schnell Hilfen geben.
Union-Investment-Experte Deser findet Rufe nach einer stärkeren Beteiligung Fortums unangemessen. „Für Fortum besteht kein Grund, die Defizite der deutschen Energiepolitik auszugleichen.“ Der Aktienkurs von Fortum sei auf den tiefsten Stand seit 17 Jahren gefallen. „Das trifft die Anteilseigner, bei denen es sich um gut der Hälfte um den finnischen Staat handelt und zu rund 20 Prozent um finnische Privatanleger.“ Deser könnte hingegen einem Einstieg des Bundes bei Uniper durchaus etwas abgewinnen. „Deutschland ist eines der wenigen Länder in Europa, in dem es nicht in der Energieversorgung einen nationalen Champion mit Staatsbeteiligung gibt. Vielleicht würde das auch der deutschen Politik gut tun.“
APA/ag