„Bei Wien Energie gibt es keine Spekulation“

31. August 2022

Die Wiener Stadtspitze rückte am Dienstag zur Verteidigung aus – bei der Wien Energie sei nichts schiefgelaufen.
Marian SmetanaRichard WiensWien. Seit Sonntagabend kommt die Wien Energie nicht mehr aus den Schlagzeilen, wird über ihre finanzielle Schieflage diskutiert und spekuliert. Am Dienstag zu Mittag sah sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) schließlich gezwungen, zur Causa ausführlich Stellung zu nehmen. Flankiert von Finanzstadtrat Peter Hanke und Stadtwerke-Vizechef Peter Weinelt (er ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Wien Energie) verteidigte er das Vorgehen des Energiekonzerns und der Wiener Stadtregierung.

Sichtlich bemüht, aus der Defensive zu kommen, kündigte Ludwig eine Sonderprüfung der Unternehmensorgane von Wien Energie und Stadtwerken an. „Ich möchte damit zeigen, dass es nichts zu verbergen gibt.“ Einen Grund für personelle Konsequenzen bei der Wien Energie sehe er nicht, sagte Ludwig.

Zudem versuchte der Wiener Bürgermeister, die Entwicklungen bei der Wien Energie und vor allem das Herantreten der Stadt an den Bund als normalen Vorgang darzustellen. Dass man bei der Bundesfinanzierungsagentur eine Kreditlinie beantragt habe, um damit eventuell kurzfristig schlagend werdende Kautionszahlungen für Geschäfte an der Strombörse zu finanzieren, sei nicht ungewöhnlich. Das machten auch andere Bundesländer so, die sich auf diese Weise in den vergangenen Jahren von 100 Mill. Euro bis zu 4 Mrd. Euro beschafft hätten, sagte Ludwig.
Wie hoch die Kreditlinie für die Stadt Wien ausfällt, darüber wurde am Dienstag noch verhandelt. Aus diesen Gesprächen war am Vormittag jedoch Druck gewichen, weil Hanke wissen ließ, dass sich die Lage zum Guten gedreht habe. Statt wie ursprünglich mitgeteilt, waren Dienstagmittag nicht 2 Mrd. Euro an Sicherheiten fällig, vielmehr habe die Wien Energie eine Gutschrift von 798 Mill. Euro erhalten, nachdem man am Montag eine Kaution von 1,7 Mrd. Euro gezahlt habe.

„Momentan brauchen wir gar nichts“, sagte Hanke. Dennoch sei es gut, eine Kreditlinie der OeBFA auf Abruf zu haben. Damit sei man gerüstet, falls es an der Strombörse erneut zu verrückten Preisausschlägen kommen sollte.
Wien-Energie-Aufsichtsratschef Peter Weinelt wehrte sich gegen Vorwürfe, die Wien Energie brauche Geld, weil sie sich bei Termingeschäften an der Strombörse verspekuliert habe. Es gebe keine Spekulation bei der Wien Energie und auch keine Leerverkäufe. Meldungen, wonach „wir auf sinkende Preise spekuliert haben, stimmen nicht“, sagte Weinelt. Wenn man mit einem Kunden einen Liefervertrag abschließe, werde die entsprechende Energiemenge zum vereinbarten Preis beschafft. Abgesehen davon müsse die Wien Energie mit Strom handeln. Weil man im Sommer keine eigene Erzeugung habe, müsse man Strom kaufen, in der kalten Jahreszeit werde Strom verkauft.
Weinelt verwies darauf, dass bei der Wien Energie auch viel Liquidität durch das Einspeichern von Gas gebunden sei. Die Gasspeicher seien bereits jetzt zu 91 Prozent gefüllt.

Weinelt begrüßte die von Ludwig angekündigte Prüfung der Wien Energie durch den Stadtrechnungshof sowie externe Prüfer. Bereits davor war der Bundesrechnungshof ausgerückt und hatte ebenfalls eine Prüfung der Wien Energie angekündigt. Dabei sollen „insbesondere die Geschäftstätigkeit im Energiehandel und die Rolle des Eigentümers durchleuchtet werden“, teilte ein Sprecher der Prüfinstanz auf Twitter mit. Bei der Überprüfung würden jedenfalls „die finanzielle Lage, der Finanzbedarf und die Transparenz im Lichte der Versorgungssicherheit zentrale Fragen sein“. Man wolle außerdem auch einen Blick darauf werfen, wie sich das bei anderen Energieversorgern darstelle. Das Einschreiten des Rechnungshofs begrüßten auch die Neos, der Koalitionspartner der SPÖ in der Wiener Stadtregierung ging am Dienstag deutlich auf Distanz.

Hanke machte sich erneut für einen Schutzschirm für die gesamte Energiewirtschaft stark, da rede man von einem höheren zweistelligen Milliardenbetrag. Für den sieht man auf Bundesebene aber derzeit keine Notwendigkeit. Finanzminister Brunner verwies auf Aussagen anderer Energieversorger, die einen Liquiditätsbedarf in Abrede stellten. Energieministerin Leonore Gewessler sagte allerdings, sie habe die E-Control damit beauftragt, dazu Informationen in der Branche einzuholen, Ergebnisse sollen noch in dieser Woche vorliegen. Zudem werde die Regierung „zeitnah“ ein Modell für die Strompreisbremse vorlegen, sagte Gewessler. Über die nationalen Maßnahmen hinaus seien aber europäische Lösungen nötig, um die Lage auf dem Strommarkt zu entspannen.

Salzburger Nachrichten

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