Habecks erster Fehler

31. August 2022, Berlin

Deutschland. Die europaweit einzigartige Idee der Gasumlage sorgt für Empörung. Der Wirtschaftsminister will nun prüfen lassen — und gibt den anderen die Schuld.

Es gehört mit zum Polit-Phänomen Robert Habeck, dass er offen in Worte fasst, was gerade mit ihm passiert. „Ich bin in keiner guten Position, das muss man einfach sagen“, analysierte der grüne Wirtschaftsminister am Donnerstagabend die Lage bei einem Auftritt im westdeutschen Münster.

Der Kanzler der Herzen, das Kommunikations-Genie, der Klartext-Politiker — über Monate schien es, als hätte der 52-Jährige als Einziger in Deutschland begriffen, was die Bevölkerung in der schwersten Krise der vergangenen Jahrzehnte braucht. Der Vizekanzler ist beliebt wie kein anderes Regierungsmitglied, sein ungeschminkter Stil strahlte über die Landesgrenzen, wurde auch von österreichischen Polit-Kommentatoren gelobt. Jetzt muss Robert Habeck zeigen, wie er mit seinem ersten schweren Fehler umgeht.

Opposition: „Chaos-Umlage“

Der trägt den sperrigen Namen Gasumlage. Dahinter verbirgt sich eine staatliche Abgabe, die alle Gaskunden in Deutschland von 1. Oktober 2022 bis 1. April 2024 auf den ohnehin schon hohen Gaspreis zahlen sollen. 2,4 Cent pro Kilowattstunden lautet der letzte Stand. Insgesamt 34 Milliarden Euro sollen in einem Fonds zusammenkommen, der an Energiekonzerne verteilt wird, die wegen der hohen Preise in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.
Wochenlang hatte Habeck diese staatlich verordnete Preissteigerung als alternativlos und solidarisch dargestellt. Würde der Staat die Abgabe nicht beschließen, könne das eine Kaskade auslösen, an deren Ende der Zusammenbruch des ganzen Energiesystems stehe. „Lehman-Brothers-Effekt“, nannte das der Grüne. So wie die US-Investmentbank, die nicht mit Steuergeldern gerettet wurde und so die damalige weltweite Finanzkrise weiter verschärfte.

Nur: Ob die Gasumlage die Lösung ist, wie das der Vizekanzler und sein Umfeld behaupten, wird in Zweifel gezogen. Deutsche Rechtsanwälte sagen, Habecks Vorstoß würde gegen EU-Recht sowie die deutsche Verfassung verstoßen. Die oppositionelle CDU spricht längst von einer „Chaos-Umlage“, die „Umverteilung von unten nach oben“ bewirken würde. Sie will den Plan im Parlament verhindern. Aber auch die Regierungspartner der Grünen — SPD und FDP — wünschen Nachbesserungen durch den Vizekanzler, obwohl sie der Verordnung im Kabinett zugestimmt hatten. Selbst aus der eigenen Partei tönt die Kritik.

„Moralisch nicht richtig“

Der Kern des Problems: Nicht nur notleidende Energiehändler haben Anspruch auf Geld, sondern auch solche, die gerade Milliardengewinne einfahren. Darunter befindet sich beispielsweise die österreichische OMV, aber auch die auf Zypern registrierte Gunvor, der enge Bande ins Umfeld des Kremls nachgesagt werden.
Zwar sollen rund 90 Prozent des Fonds an Uniper und eine ehemalige Gazprom-Germania-Tochter gehen, die in Schieflage geraten sind. Bleiben trotzdem rund drei Milliarden Euro, die von Gasverbrauchern an Konzerne gezahlt werden könnten, die weit weg von einem Bankrott sind.

Auch andere Details werfen Fragen auf: Um die Gaskunden zu entlasten, senkt die deutsche Regierung die Mehrwertsteuer auf Gas. Warum sie diesen Umweg wählt und Uniper nicht einfach wie bisher mit Steuergeldern stützt, konnte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Mittwoch nicht abschließend erklären.
Für Habeck ist das alles unangenehm. Nicht nur scheint die Gasumlage kompliziert, nicht ganz treffsicher und belastet die 21 Millionen deutschen Haushalte, die meist ohne eigene Wahlmöglichkeit mit Gas beheizt werden müssen. Der Grüne fordert zudem seit Monaten lautstark eine Übergewinnsteuer für Konzerne, die von der Krise profitieren. Ausgerechnet ihnen könnte Habecks Plan nun noch mehr Geld bescheren.

Am Donnerstag gab der Grüne anderen die Schuld an den Problemen seines Projekts: Manche Unternehmen hätten sich „reingedrängt“, sie zu stützen sei „moralisch nicht richtig“, sie seien „Trittbrettfahrer“. Habeck will seinen eigenen Plan nun auf Korrekturen prüfen lassen, sieht aber wenig rechtlichen Spielraum. „Eine Legion von Juristen hat mir das so erklärt, dass es nicht anders gehen kann“, so der Vizekanzler. Heißt auch: Wenn es doch anders geht, wird es nicht seine Schuld sein.

von unserem Korrespondenten Christoph Zotter

Die Presse

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