Tirol-Wahl: Zankapfel Wasserkraft

12. September 2022, Innsbruck
Es geht viel um's Wasser - Innsbruck, APA/GABRIEL SINGER

Steigende Preise, Hitze, Überschwemmungen und der Ukraine-Krieg – Energie und Klima beschäftigen die Menschen in Tirol und somit auch die wahlwerbenden Parteien im Vorfeld der Landtagswahl. Die ÖVP drückt mit dem Ziel Energieautonomie bis 2050 bei der Wasserkraft aufs Tempo – ein Thema, das in der Vergangenheit zu Verwerfungen mit dem grünen Noch-Regierungspartner führte. Diese sprechen lieber über Windkraft und erklärten eine „Sonnenkraftmilliarde“ zur Koalitionsbedingung.

Das Wirken der schwarz-grünen Landesregierung in Bezug auf Klima- und Energiepolitik fußt auf der Tiroler Nachhaltigkeits- und Klimastrategie, die bis 2030 umgesetzt werden soll. Im März wurde das erste Maßnahmenpaket vor- und der Schwerpunkt auf Wasserkraft und Photovoltaik gelegt. 191 Maßnahmen in sieben Handlungsfeldern – von der Energieversorgung über den Lebensstil der Gesellschaft bis zu Mobilität und Infrastruktur – sollen den Weg zur Klimaneutralität 2040 ebnen. Bis 2050 will das Land zudem energieautonom sein – also zumindest so viel Energie produzieren, wie das Bundesland selbst benötigt. Der Energiebedarf soll bis 2050 zudem im Vergleich zu 2005 um 37 Prozent verringert und komplett durch erneuerbare Energieträger gedeckt werden.

Der Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen beträgt in Tirol aktuell 43 Prozent – das ist mehr als im Österreich-Durchschnitt. Mehr als 90 Prozent des Stroms davon stammt aus der Wasserkraft. Die seit 77 Jahren regierende ÖVP spricht deshalb gerne vom „Wasserkraftland Tirol“, im aktuellen Wahlprogramm gar vom Wasser als dem „größten Bodenschatz Tirols“ und „unserem Trumpf auf dem Weg zur Energiewende“. Der Aus- und Neubau von Wasserkraftwerken war in den vergangenen zwei Legislaturperioden unter Zusammenarbeit mit den Grünen allerdings von innerkoalitionärem Gezerre geprägt, auch wenn sich die Grünen – wie deren Klubchef und Landtagswahlspitzenkandidat unlängst erklärte – „bewegten“, auch wenn es manchmal „schwierig und schmerzhaft“ gewesen sei. 96 Wasserkraftwerke mit einer Leistung von insgesamt einer Terawattstunde seien in den letzten neun Jahren schwarz-grüner Zusammenarbeit ans Netz gegangen.

Für ÖVP-Spitzenkandidat Anton Mattle, der übrigens auch Aufsichtsratchef des landeseigenen Energieversorgers Tiwag ist, war der weitere Wasserkraft-Ausbau zuletzt jedenfalls „nicht verhandelbar“. Die Grünen hatten sich zwar nie dezidiert gegen Wasserkraft gestellt, aber immer einen „ökologisch verträglichen“ Ausbau gefordert – wie dies etwa beim Kraftwerk in Kirchbichl (Bezirk Kufstein) geschehen sei. In ihrem Wahlprogramm gab die Partei aber das Versprechen ab, die „nächste Gigawattstunde aus erneuerbarer Energie abseits der Wasserkraft“ zu gewinnen.

Offensichtlich wurden unterschiedliche Auffassungen der Tiroler wahlwerbenden Parteien auch abseits der Koalition zuletzt in der plakativen Debatte rund um einen möglichen Ausbau des Pumpspeicherkraftwerks Kaunertal. Die Kosten einer Erweiterung wurden auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt. Mit seinen 120 Metern wäre der Staudamm fast so hoch wie der Stephansdom in Wien und sieben Mal so hoch wie das Goldene Dachl. Die Pläne wurden erstmals 2009 eingereicht und liegen derzeit zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vor.

Während ÖVP, FPÖ und NEOS den Ausbau befürworten, hatten sich Grüne und Liste Fritz kritisch geäußert. Die Grünen führten die fachliche Beurteilung der Alpenschutzkommision CIPRA International und des WWF, nämlich dass der Ausbau aus Naturschutz-Sicht nicht tragbar sei, ins Treffen. Die oppositionelle Liste Fritz war indes der Meinung, dass das Projekt zu stoppen sei, bevor noch mehr Steuergeld für Planungen verschwendet würde.

Apropos Wasserkraft: Die SPÖ brachte in der Vergangenheit Kleinwasserkraftanlagen in den Gemeinden ins Spiel. Die FPÖ hatte immer für eine Nutzung der Wasserkraft mit „Vernunft und Verhältnismäßigkeit, ohne das Potenzial ungenutzt zu lassen“ plädiert. „Energieautarkie mit erneuerbarer Energie“ stellte für die Blauen hingegen eine „Utopie“ dar. Eine „überstürzte Umstellung der Tiroler Energieversorgung“ würde, wie das Beispiel Deutschland zeige, zu „exorbitant ansteigenden Energiepreisen“ führen, warnte die FPÖ in ihrem Wahlprogramm.

Während für manche Parteien an der Wasserkraft in Tirol kein Weg vorbei zu führen scheint, haben Energiekrise und Teuerung im Vorfeld der Landtagswahl am 25. September auch den Einfallsreichtum der Politik in puncto Photovoltaik (PV) und Windkraft befeuert. Die ÖVP schlug etwa vor, Großparkplätze mit PV-Anlagen zu überdachen. Die Grünen zogen rote Koalitions-Linien beim Photovoltaikausbau und forderten beim Wahlkampfauftakt Klima-Investitionen in der Höhe von einer Milliarde Euro in PV, Windkraft und Geothermie und PV-Anlagen auf dem Dach eines jeden Neubaus. Die SPÖ fordert PV-Anlagen auf den Dächern aller geeigneten Gebäude, die sich im öffentlichen Eigentum befinden, mehr PV-Förderungen und das Forcieren von Energiegemeinschaften. Auffallend auch die Forderung der Liste Fritz in Bezug auf Solarenergie: Sie dachte über schwimmende PV-Anlagen in Speicher- und Stauseen nach. Laut dem Dachverband Photovoltaik-Austria hat Tirol übrigens österreichweit den längsten Weg vor sich, um die Zielvorgaben zu erreichen. Erst zwölf Prozent der vorgegebenen Anlagen wurden in Tirol errichtet.

Luft nach oben gibt es im Land auch bei der Windenergie. Wie Daten der IG Windkraft zeigen, teilen sich Niederösterreich und das Burgenland mit rund 85 Prozent aktuell den Löwenanteil der österreichischen Stromerzeugung aus Wind. In Tirol steht noch kein einziges Großwindrad. Vor allem ÖVP und FPÖ äußerten sich ablehnend und führten unter anderem den Landschaftsschutz und die topografischen Begebenheiten als Gründe für ihre Haltung an. Eine vom Land in Auftrag gegebene Studie hatte 2021 ergeben, dass 50 bis 75 Windkraftanlagen machbar wären und bis zu 5,5 Prozent des Tiroler Elektrizitätsbedarfs decken könnten. Allerdings stünden diese zu 75 Prozent in Landschaftsschutzgebieten.

Die Grünen sahen zwar ein, dass Windräder „nicht auf Gipfeln oder Naturschutzgebieten“ stehen dürften, sahen aber „durchaus geeignete Standorte“ – etwa im Inntal, Wipptal oder Kühtai. Die Roten forderten die Erarbeitung eines Windenergiekonzeptes mit Vorrangs- und Eignungszonen sowie Ausschlusszonen für Windenergieanlagen. Von sich Reden machten in Bezug auf Windkraft aber vor allem die NEOS, die in ihrem Wahlprogramm „Klimaschutz durch Innovation“ propagierten. Sie ließen vor allem mit dem Vorschlag aufhorchen, Windräder in Skigebieten zu errichten.

Auf das weniger populäre Thema Energiesparen – in Tirol müssten, wie der „Standard“ in einem Bericht über die Tiroler Energiewende aufschlüsselte, bis 2050 mindestens 37 Prozent im Vergleich zu 2016 eingespart werden – kamen vor allem die Grünen zu sprechen. Sie wollen einen „Energiesparbonus“ ins Leben rufen.

APA