Wie die Kautions-Pflicht Energiekonzerne unter Druck setzt

16. September 2022, Düsseldorf

Den Energiekonzernen machen in der gegenwärtigen Krise nicht allein die explodierenden Preise für Gas- und Strom zu schaffen. Die österreichische Wien Energie, die deutschen Energiekonzerne Uniper, VNG und Co müssen darüber hinaus nach der gängigen Geschäftspraxis hohe Kautionen hinterlegen, um ihre Geschäfte abzusichern.

Zu normalen Zeiten war dies kein Problem, doch mit den stark gestiegenen Preisen sind auch die sogenannten „Margin Calls“ – auf Deutsch Margenausgleichszahlungen – in die Höhe geschossen. Dadurch haben viele Versorger ein Liquiditätsproblem.

Was hat die Preise für Gas nach oben getrieben?

Die Lieferkürzungen Russlands sind nur ein Grund, weshalb die Gaspreise so stark gestiegen sind. Nach dem Höhepunkt der Corona-Krise steigt die Nachfrage nach Energie in Europa im Zuge der wirtschaftlichen Erholung wieder an. Gas ist auch eine Quelle der Stromerzeugung und die Gasknappheit kam zeitgleich mit einer schwächeren Produktion von Wasser- und Atomkraftwerken durch Sonderfaktoren in diesem Jahr. So produzieren etwa die französischen Meiler wegen Wartungsarbeiten weniger Strom. In der Hitzewelle im Sommer kamen noch mangelnde Kühlungsmöglichkeiten wegen der niedrigen Wasserlevel der Flüsse hinzu. Das ließ auch die Strompreise rasant in die Höhe schnellen.

Warum werden die Geschäfte abgesichert?

Viele Versorger verkaufen Strom und Gas bis zu drei Jahre im Voraus. Doch dafür müssen sie Kautionen hinterlegen für den Fall, dass sie etwa pleitegehen. Steigen die Preise, so steigen auch die Nachschusspflichten für den Wert der Verkäufe. Wird der Verkauf abgewickelt, fließt das Geld zurück. Doch dies kann dauern. Weil Strom und Gas im Großhandel das Sieben- bis Achtfache gegenüber dem Vorjahr kosten, kann der Margenausgleich Unternehmen an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringen. Damit dies nicht geschieht, springt teilweise der Staat mit milliardenschweren Kreditzusagen ein – so auch bei Wien Energie, Uniper und der VNG.

Um was für Summen geht es?

Nach Schätzungen des norwegischen Energiekonzerns Equinor, die am 6. September veröffentlicht wurden, sind in Europa – ohne Großbritannien – mindestens 1,5 Billionen Euro in Margin Calls für Strom und Gas gebunden. Da die EU aber inzwischen Pläne für Preisbremsen und Abschöpfungen von Zufallsgewinnen von Stromproduzenten vorschlägt, sind die Großhandelspreise gefallen und so dürfte diese Schätzung hoch sein, zeigt aber die möglichen Dimensionen.

Wer ist betroffen?

In Österreich räumte der Bund dem heimischen Energieversorger Wien Energie kürzlich einen Kredit in der Höhe von 2 Mrd. Euro ein. Die Stadt Wien gewährte 1,4 Mrd. Euro an Unterstützung. Das hatte zuletzt für Schlagzeilen gesorgt und Spekulationen über finanzielle Turbulenzen und mangelndes Risikomanagement bei der Wien Energie hervorgerufen.

In Deutschland gehören die großen Gasimporteure dazu. Für Uniper hat der deutsche Bund ein Hilfspaket von 19 Mrd. Euro geschnürt. Selbst dies reicht inzwischen offenbar nicht aus. Uniper zufolge spielt der deutsche Bund nicht mehr nur eine Beteiligung von 30 Prozent durch, sondern die Übernahme einer Mehrheit. Die Lieferkürzungen Russlands belasten auch die EnBW-Tochter VNG und die frühere Gazprom Germania, die heute Sefe heißt. Der deutsche Energieriese RWE ist von russischen Gaskürzungen weniger betroffen. Er hat erklärt, die Verluste nicht bei der geplanten Gasumlage geltend zu machen, mit der alle Gaskunden zur Kassa gebeten und die Gasimporteure gestützt werden sollen.

Greift die Europäische Aufsichtsbehörde Esma ein?

Gut möglich. Die Behörde hat angekündigt, sich genau anzuschauen, wie das Dilemma der hohen Pfandsummen verbessert werden kann. Einige Branchenvertreter schlagen vor, die Kautionen nicht bar hinterlegen zu müssen, sondern beispielsweise durch Bankgarantien, wie es in Teilen des US-Ölmarktes möglich ist. Dazu müsste man aber strengere Regeln der EU zu Einschussforderungen aufweichen.

APA/ag

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