Strom-Stresstest: Probleme nur bei Eiseskälte

9. November 2022

Stromnetze. Ein Strommangel ist in diesem Winter „sehr unwahrscheinlich“, in keinem der berechneten Szenarien droht Österreich ein unkontrollierter Blackout. Als Risiko bleibt ein langer, strenger Winter

„Eine sichere Stromversorgung war immer wichtig und selbstverständlich“, sagt Energieministerin Leonore Gewessler bei der Präsentation des Strom-Stresstests der Austrian Power Grip (APG) am Montag. „Nur hat sich diese Selbstverständlichkeit geändert, weil Russland uns mit Energie erpresst, der Energiepreis hoch ist – und es eben keine Selbstverständlichkeit mehr ist.“ Dennoch könne man – jedenfalls für diesen Winter – eine Entwarnung geben. Die Stromversorgung bleibe sicher.

Worum geht es: Aufgrund der äußerst angespannten energiewirtschaftlichen Situation in Europa hat die APG einen Stresstest erstellt. Simuliert wurde, ob eine sichere Stromversorgung für den kommenden Winter für Österreich auch unter verschärften äußeren Bedingungen möglich ist. Die Sorge hat gute Gründe: Etwa die aktuelle Dürre im Sommer, die zu Niedrigwasser in vielen Flüssen Europas geführt hat, und damit zu einer verminderten Stromausbeute aus Laufkraftwerken. Außerdem leidet Europa unter einer sukzessiven Reduktion der Gaslieferungen aus Russland, zudem gibt es nach wie vor einen Ausfall vieler französischer Atomkraftwerke (die von ihren 61 Gigawatt an installierter Leistung derzeit nur knapp unter 30 GW produzieren) und insgesamt eine äußerst angespannte Lage auf den Energiemärkten, nicht zuletzt wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Tatsächlich ist für diesen Winter (viertes Quartal 2022 und erstes Quartal 2023) zu erwarten, dass die Stromversorgung Österreichs zu 62 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern sichergestellt wird, vor allem Wasserkraft und Windkraft.

22 Prozent Erdgas-Strom

Mehr als ein Fünftel der Stromproduktion wird aus Gaskraftwerken kommen. Und rund 16 Prozent Strom wird Österreich aus dem europäischen Ausland importieren müssen.

Österreichs Gasspeicher sind mit Stand gestern mit 89.72 Terawattstunden Erdgas bestens gefüllt (93,9 Prozent!), und füllen sich, ob der milden Temperaturen, noch immer. Etwa ein Drittel des gespeicherten Gases muss für die Stromerzeugung herangezogen werden.

Bei dem in den vergangenen Wochen simulierten Stresstest der APG wurden zahlreiche Annahmen hergenommen, um mögliche Schwachstellen im System bereits jetzt zu identifizieren. Fazit: Es werde zwar eine „Herausforderung“ für die Netzbetreiber, die Stromversorgung sicherzustellen. Aber dass es zu wenig Strom geben könnte oder gar einen Blackout (also ein völlig unkontrollierter Zusammenbruch des Stromnetzes) droht, ist laut APG-Technikchef „sehr unwahrscheinlich“. Im wahrscheinlichsten Szenario kommt es zu keiner einzigen Stunde zu einer „Lastunterdeckung“, also einer Situation, wo es zu wenig Stromangebot für die Nachfrage gibt.

Allerdings wurden auch Szenarien durchgerechnet, wo es tatsächlich zu wenig Strom gibt. Etwa, wenn eine Vielzahl an Einzelfaktoren schlagend werden, zum Beispiel unterschiedliche Verfügbarkeiten von Kraftwerksleistungen (Niedrigwasser in Flüssen, Reduktion der Kraftwerkskapazitäten in Polen, Finnland, Frankreich) oder eben ein stark erhöhter Verbrauch, etwa wenn Europa wochenlang einen sehr strengen Winter erleben sollte.

Doch so eine „Lastunterdeckung“ bedeute nicht, dass es zu einem Stromausfall kommt, betont der Energiemanager. Man müsste dann lediglich den Verbrauch über Energielenkungsmaßnahmen gezielt reduzieren.
Und der Strom-Stresstest zeige auch: „In keinem der Szenarien gibt es ein erhöhtes Blackout-Risiko“, sagt Gewessler. Wesentlich bleibe aber: Stromsparen sei in den kommenden Monaten das Gebot der Stunde.

Fakten

Strom im Winter

Weil im Winter die Flüsse deutlich weniger Wasser führen und Fotovoltaik ebenfalls nur geringe Leistung hat, ist die Stromversorgung etwas mehr gefährdet

Importe

Der Netzbetreiber APG rechnet in diesem Winter mit rund 62 Prozent Strom aus Wasser, Wind, PV und Biomasse, rund 22 Prozent kommt aus Gaskraftwerken. Der Rest muss importiert werden. Das kann auch kritisch werden, wenn man bedenkt, dass etwa in Frankreich derzeit nur jedes zweite Atomkraftwerk läuft, zudem sind viele Flusspegel niedrig

Kurier

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