wiiw-Ökonom für EU-Investitionsfonds für Klima und Energie

6. April 2023, Wien
Martin Selmayr, EU-Kommissionsvertreter in Wien - Wien, APA/GEORG HOCHMUTH

Die Erreichung der ambitionierten Klimaziele wird ohne hohe staatliche Investitionen nicht zu schaffen sein, meint der Ökonom Philipp Heimberger vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und schlägt deshalb die Schaffung eines EU-Investitionsfonds für Klima und Energie vor. Damit sollen zusätzliche öffentliche Investitionen von mindestens 1 Prozent der jährlichen EU-Wirtschaftsleistung finanziert werden, ohne dass die Staatsschuldenquoten steigen.

Zur Erreichung des EU-Klimaziels 2030 wäre eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen in der Größenordnung des Zehnfachen des grünen Investitionsanteils der „Recovery and Resilience Facility“ (RRF) notwendig, sagte Heimberger bei einer Podiumsdiskussion der AK Wien. Derzeit hätten die EU-Staaten wegen des steigenden Budgetkonsolidierungsdrucks unzureichende Spielräume für öffentliche Investitionen in Klima und Energie, meinte der Ökonom. Ein EU-Investitionsfonds könne da Abhilfe schaffen.

Bei der geplanten Reform der EU-Fiskalregeln gehe es um die Schulden- und Defizit-Regeln, die die Regierungen einhalten müssen, wenn sie ihre Budgets machen, erläuterte Heimberger. „Da geht es natürlich nicht zuletzt um Ausgaben-Spielräume für Zukunftsaufgabe für Klimainvestitionen.“ Die EU-Kommission habe im November 2022 Reform-Orientierungen vorgelegt, die die EU-Finanzminister vor einigen Wochen in einer gemeinsamen Stellungnahme großteils begrüßt hätten – allerdings hätten sie auch einige Nachbesserungen und Nachschärfungen verlangt.

Für den von ihm vorgeschlagenen Fonds für Energie- und Klimainvestitionen könnte die EU-Kommission im Namen aller EU-Mitgliedsstaaten Finanzmittel durch die Begebung von Anleihen aufnehmen und sie dann an die Mitgliedsstaaten weitergeben, führte Heimberger aus. Die Staaten sollten diese Mittel aber nur zweckgebunden mit einem Schwerpunkt auf Klimaausgaben verwenden können und langfristige Klimapläne vorlegen.

Der EU-Kommissionsvertreter in Wien, Martin Selmayr, kann diesem Vorschlag sehr viel abgewinnen. Mit der Größenordnung von einem Prozent der Wirtschaftsleistung wäre man aber „sehr konservativ unterwegs“, man werde viel mehr Geld brauchen. Ziel der EU-Kommission sei es, den Mitgliedsstaaten Spielräume für mittelfristig nachhaltige Finanzinvestitionen zu geben. Dafür sollten die Staaten aber transparente Pläne für vier bis fünf Jahre vorlegen. Man wollte den Mitgliedsstaaten auch Spielräume für staatliche Beihilfen geben. „Wir brauchen staatliche Subventionen für Solar, für Photovoltaik, für Verteidigung, für Windenergie, für Unabhängigkeit von Russland, und dazu müssen die Mitgliedsstaaten mehr Spielraum bekommen.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wolle einen europäischen „Souveränitätsfonds“, sagte Selmayr. Aber „das Hauptproblem liegt in den nationalen Hauptstädten“. Wien sei eine der „Haupt-Problemhauptstädte“. Er bezog sich auf die skeptische Haltung Österreichs zu den diesbezüglichen Plänen der EU-Kommission.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) meinte, dass man die notwendigen Ausgaben „nie und nimmer und in keiner Welt nur mit öffentlichen Investitionen schaffen“ werde. In der grünen Transformation liege auch die wirtschaftliche Chance Europas. Grüne Produkte seien der Markt der Zukunft.

Die Zeit für die Reform der Fiskalregeln werde knapp, sagte Selmayr, denn in einem Jahr gebe es Europawahlen. Die EU-Kommission werde in wenigen Tagen ihren Vorschlag vorlegen. Wahrscheinlich werde man dann einen zweiten Anlauf brauchen – „und ich fürchte, dieser zweite Anlauf wird erst nach der Europawahl sein“.

APA