OECD kritisiert großen Infrastrukturstau in Deutschland

8. Mai 2023, Berlin

Deutschland wird laut der OECD einer Rezession entgehen, muss auf dem Weg zur Klimaneutralität aber spürbar mehr Tempo machen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet 2023 ein Plus beim deutschen Bruttoinlandsprodukt von 0,3 Prozent, dem 2024 ein BIP-Wachstum von 1,3 Prozent folgen dürfte.

„Die Entspannung in den Lieferketten, der hohe Auftragsbestand und die Belebung der Auslandsnachfrage sorgen für eine allmähliche Konjunkturerholung“, heißt es in dem am Montag vorgelegten OECD-Wirtschaftsbericht Deutschland.

Die deutsche Bundesregierung habe schnell reagiert, um die Energieversorgung zu sichern und private Haushalte und Firmen zu unterstützen. Zugleich bemängelt die Industriestaaten-Organisation aber einen „großen Infrastrukturstau“. Auch wegen des Investitionsbedarfs für die ökologische und digitale Transformation gelte es, die Ausgabeneffizienz zu steigern, die Ausgaben besser zu priorisieren und Steuervergünstigungen abzubauen.

Nach zehn Jahren mit dynamischem Wachstum, sinkender Arbeitslosigkeit und Haushaltsüberschüssen zeigten die Corona-Pandemie und die Energiekrise, dass Deutschland strukturelle Schwachstellen aufweise und seine ökologische und digitale Transformation unbedingt beschleunigen müsse.

Deutschland müsse entschlossen handeln, um umweltfreundliche Mobilität im Rahmen einer integrierten Strategie zu fördern. „Viele Chancen, wie zum Beispiel ein breiterer Einsatz von Tempolimits, Mautgebühren für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge oder City-Mauten, wurden nicht genutzt; andere, beispielsweise die Anhebung der Parkgebühren, werden nur langsam realisiert“, heißt es in dem ebenfalls am Montag veröffentlichten OECD-Umweltprüfbericht-Deutschland.

Der Anteil der Elektrofahrzeuge am gesamten Fahrzeugbestand steige rasch, sei aber nach wie vor gering. Von ihrem Ziel, bis 2030 insgesamt 15 Mio. Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen und 1 Mio. Ladepunkte bereitzustellen, sei die Bundesregierung noch weit entfernt: „Anstelle von Einzelmaßnahmen, die in erster Linie umweltfreundlichere Autos auf die Straße bringen sollen, braucht es eine ganzheitliche Strategie für nachhaltige Mobilität.“

Laut dem deutschen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) muss mit Blick auf die für 2045 angestrebte Treibhausgas-Neutralität das Tempo hochgehalten werden. Der Politiker pocht darauf, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekte umzusetzen. Hierfür brauche es Beiträge aller Handlungsfelder, „vor allem auch im Verkehr“. Laut OECD sollte der Schwerpunkt von der Subventionierung von E-Autos auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur verlagert werden. Dabei gelte es, den Wettbewerb zwischen den Ladesäulenbetreibern zu stärken. „Wenn die öffentlichen Investitionen in die Schiene weiter erhöht, die Digitalisierung der Kontroll- und Signalsysteme beschleunigt und der Wettbewerb verstärkt würden, ließe sich die Verkehrswende leichter herbeiführen“, heißt es in dem OECD-Bericht.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte, Deutschland habe Jahrzehnte auf Kosten der Natur gewirtschaftet – sei es im Energiebereich, im Verkehr oder in der Landwirtschaft. „Diese Altlasten kommen uns teuer zu stehen. Das zeigt der OECD-Bericht unmissverständlich.“ Natur-, Ressourcen- und Klimaschutz müssten schneller und stärker zusammengeführt werden. „Die Empfehlungen der OECD zeigen dafür Wege auf – unter anderem zum Abbau umweltschädlicher Subventionen.“

Um den hohen Investitionsbedarf zu decken und gleichzeitig die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu wahren, müssten Steuervergünstigen abgebaut werden, forderte die OECD. Denn diese seien häufig „verzerrend, regressiv oder umweltschädlich“. Das Dienstwagenprivileg und auch die Entfernungspauschale setzten Fehlanreize zulasten nachhaltiger Verkehrsträger. Deutschland sollte laut OECD die CO2-Bepreisung ausweiten, sie aber mit gut konzipierten sektorspezifischen Bestimmungen und Beihilfen kombinieren. „Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung können Niedrigeinkommenshaushalten zugutekommen und die aktive Arbeitsmarktpolitik verbessern. Dies würde den sozialen Zusammenhalt stärken“, so das Fazit der OECD.

APA/ag

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