Energiewende in der Warteschleife

9. Mai 2023

Klimaschutz. Alle wollen erneuerbare Energien. Dass jedoch der Bau von Wasserkraftwerken mehr als 20 Jahre braucht, schadet nicht nur dem Klima, sondern auch der Natur. Die Verzögerungs-Taktik von Umwelt-NGOs ist nicht nachvollziehbar.

Die Bundesregierung hat die Dringlichkeit des Klimaschutzes erkannt und mit dem Erneuerbaren-Ausbaugesetz den juristischen Rahmen geschaffen: Das erklärte Ziel ist es, bis 2030 Strom zu 100 %aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Eine wesentliche Säule stellt die Wasserkraft dar. „Bis 2030 sollen zusätzliche 5 Terawattstunden (TWh) ans Netz gehen. Tirol spielt mit seinem Wasserkraftpotenzial hier eine wesentliche Rolle“, betont WK-Präsident Christoph Walser. So weit zur Theorie.

Die Praxis sieht anders aus. Wasserkraft-Projekte haben vor allem aufgrund bürokratischer Hürden einen enormen Zeithorizont. Das zeigt sich an einem aktuellen Beispiel, der Innstufe Imst-Haiming. Diese nutzt das abgearbeitete Wasser des bestehenden Kraftwerks Prutz-Imst und erzeugt rund 250 Gigawattstunden (GWh) jährlich. „Die Strommenge ist ausreichend zur Versorgung von ca. 60.000 Tiroler Haushalten. Durch das Kraftwerk werden jährlich bis zu 188.000 Tonnen CO2 eingespart, nach gängigen Marktpreisen entspricht das einem klimaökonomischen Nutzen im Wert von 17 Millionen Euro“, erklärt Standortanwalt Stefan Garbislander. Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung des Projektes wurden sämtliche möglichen Beeinträchtigungen als vertretbar bzw. geringfügig eingestuft, womit die Voraussetzungen für die Umsetzung gegeben sind.

Seit heuer liegt der positive Genehmigungsbescheid für dieses Projekt vor. Es könnte also endlich mit dem Bau begonnen werden. Theoretisch. Denn Einsprüche, unter anderem seitens des WWF und des Landesumweltanwalts, werden zu einer weiteren Verzögerung führen und nun das Bundesverwaltungsgericht beschäftigen. Unter anderem geht es um einen Expertenstreit bezüglich der verwendeten hydrologischen Daten und um angebliche Beeinträchtigungen für die Bestände an Äsche, Bachforelle und Koppe. Am Ende wird die Zeitschiene wie folgt aussehen: Nach einer mehrjährigen Planungsphase wurde das Projekt im Jahr 2015 eingereicht. Nun liegt nach 8 Jahren Verfahren mit umfangreichen und intensiven Überprüfungen ein Bescheid vor, der beeinsprucht wird. Das bremst die Umsetzung mindestens um ein weiteres Jahr. Der Bau selbst wird etwa 5 Jahre in Anspruch nehmen, ergibt in Summe mehr als 20 Jahre von der Planung bis zur Realisierung.

Wie aus einem aktuellen Bericht an die EU-Kommission hervorgeht, ist Österreich mit den Klimazielen 20 Jahre in Verzug. „Kein Wunder -man braucht sich nur die Hürden beim Projekt Imst-Haiming anzusehen. Ich verstehe nicht, wie man Naturschutz und Klimaschutz getrennt betrachten kann. Naturschutz-Organisationen bekämpfen jeden einzelnen Eingriff und ignorieren komplett, dass dafür jeweils umfassende Ausgleichsmaßnahmen vorgeschrieben sind“, erklärt WK-Präsident Christoph Walser.

Auch wenn der Aktionismus der Klimaschützer der „Letzten Generation“ fragwürdig ist, das Motto ist es nicht: „Morgen ist es zu spät.“ Genau deswegen sollten alle konstruktiven Kräfte im Land nicht gegen-,sondern miteinander arbeiten und Projekten zur Erschließung erneuerbarer Energien nicht ständig Prügel vor die Beine werfen. „Jeder Tag, jeder Monat, jedes Jahr der Verzögerung führt dazu, dass wir weiterhin von Gas, Atomstrom und Kohlekraft abhängig sind. Das schadet nicht nur dem Klima, sondern verursacht spürbare Schäden in unseren Naturräumen. Irgendwann muss mit der Blockade-Taktik Schluss sein. Wir müssen bauen, sonst läuft uns die Zeit davon -denn morgen ist es zu spät“, fordern Christoph Walser und Stefan Garbislander.

Tiroler Tageszeitung

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