Wissenschafter für sofortiges Verbot neuer Erdgasheizungen

25. Mai 2023, Wien
Rasch los von Erdgasheizungen wird gefordert - Hannover, APA/dpa

Für ein sofortiges Verbot der Installation neuer Erdgasheizungen in Europa spricht sich die Dachorganisation der europäischen Wissenschafts-Akademien EASAC in einem neuen Bericht aus. Um den Klimawandel einzudämmen, sei es von entscheidender Bedeutung, die Nutzung aller fossiler Brennstoffe einzustellen, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien massiv auszubauen und klimafreundliche Alternativen wie Wärmepumpen und Fernwärme einzusetzen, betonen die Wissenschafter.

In dem Bericht „Future of Gas“ der EASAC, der auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angehört, wird auf die 65 Millionen in Wohngebäuden installierten Gasheizungen verwiesen, die 39 Prozent des Erdgases in der EU verbrauchen. Acht EU-Mitgliedstaaten – darunter Österreich – hätten bereits Maßnahmen ergriffen, um die Installation neuer Gaskessel zu verbieten oder einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien in Gebäuden vorzuschreiben. „Solche Maßnahmen sollten in ganz Europa angeregt werden“, betonte Neven Duić, Vorsitzender des EASAC-Lenkungsausschusses für Energie, in einer Aussendung.

Die Wissenschafter heben auch das „extrem hohe Erderwärmungspotenzial der weitgehend nicht erfassten Methan-Leckagen entlang der gesamten Erdgasversorgungskette“ hervor. Das (20-jährige) Erderwärmungspotenzial von Methan sei mehr als 80 Mal so hoch wie jenes von Kohlendioxid, also weitaus zerstörerischer. „Bisher haben wir die Auswirkungen von Treibhausgasemissionen in einer Zeitspanne von bis zu 100 Jahren bewertet, woran nichts auszusetzen ist. Der Klimawandel schreitet jedoch so schnell voran, dass wir uns jetzt auf die Auswirkungen innerhalb der nächsten zehn Jahre konzentrieren müssen. Deshalb gibt es keine Alternative zum sofortigen Ersatz von Erdgas durch erneuerbare Energien“, so Duić.

Die Reaktion der EU-Mitgliedsstaaten auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, Gas aus Russland durch den Import von Flüssiggas (LNG) von außerhalb Europas zu ersetzen, ist für die Wissenschafter eine verständliche „Notfallmaßnahme“. Aber während man die Abhängigkeit von Russland hinter sich lasse, müsse man vollständig aus dem Gas aussteigen. „Wir können uns nicht aus drastischen Veränderungen herausreden. Das Klima macht keine Kompromisse“, betonte William Gillett, Direktor des EASAC-Energieprogramms.

Auch von verschiedenen Alternativplänen halten die Wissenschafter nichts: Erdgas schrittweise durch Wasserstoff zu ersetzen, wofür Gasversorgungsunternehmen häufig plädieren würden, um ihre Anlagen noch weiterbetreiben zu können, sei aus wissenschaftlicher Sicht „wenig erfolgversprechend“. Denn die Beimischung von zehn Prozent Wasserstoff zu Erdgas führe lediglich zu einer CO2-Reduktion von einem Prozent. Auch Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) und der Ausbau der Kernenergie könnten nicht schnell genug eingesetzt bzw. gebaut werden. „Darüber hinaus besteht in vielen Regionen die Gefahr, dass Kernkraftwerke durch die Auswirkungen des Klimawandels, wie z. B. die Verknappung des Kühlwassers, anfällig werden“, so Gillett.

Stromerzeugung aus Erdgas ist für die Wissenschafter eine „Sackgasse“, da dies zur globalen Erwärmung beitrage. Sie sprechen sich vielmehr dafür aus, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und die Stromversorgungsinfrastruktur auszubauen, damit Erdgas zusammen mit Kohle und Öl schrittweise aus dem Verkehr gezogen werden kann. Empfohlen werden allgemein eine höhere Energieeffizienz durch Senkung des Energiebedarfs in Gebäuden, der Industrie und im Verkehr und speziell der Einsatz von Wärmepumpen und Fernwärme als „gebrauchsfertige und klimafreundliche Alternativen zu Gasheizungen“. Weil nicht jeder das Geld für eine neue Heizung habe, „braucht es Weitsicht, soziale Sensibilität und Fördermechanismen, die auf die schwächsten Gruppen und Haushalte ausgerichtet sind, damit Europa seine Treibhausgasemissionen erfolgreich reduzieren kann“, betonte Gillett.

Service: https://go.apa.at/l7xF4HXR )

APA

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