
Ein Antrag beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) von zwölf Kindern und Jugendlichen, die ihre Rechte durch fehlende Maßnahmen für den Klimaschutz gefährdet sehen, ist aus formalen Gründen zurückgewiesen worden. Die Verfassungsrichter stellten nun fest, dass nicht alle Teile – des von Experten als zahnlos kritisierten – Klimaschutzgesetzes angefochten wurden, die jedoch untrennbar zusammenhängen, hieß es am Freitag in einer Aussendung. Der Antrag sei zu eng gefasst gewesen.
Eine solche Aufhebung würde die von den Antragstellern behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen, teilte der VfGH mit. Der Verfassungsgerichtshof dürfe einer Norm durch Aufhebung bloßer Teile auch keinen völlig veränderten Inhalt verleihen, hieß es in der Erläuterung. Eine Aufhebung des Klimaschutzgesetzes im angefochtenen, zu engen Umfang hätte unter anderem zur Folge, dass der Bund nicht nur für die Führung von Verhandlungen über Klimaschutzmaßnahmen, sondern für diese Maßnahmen insgesamt verantwortlich wäre. Der VfGH könne dem Gesetzgeber einen solchen Gesetzesinhalt nicht unterstellen.
Die Kinder und Jugendlichen, in deren Namen der Antrag eingebracht wurde, sind zwischen 2006 und 2015 geboren. Sie hatten laut VfGH kritisiert, dass das Klimaschutzgesetz lediglich eine Pflicht enthalte, über Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen zu verhandeln, aber keine Verpflichtung, Ergebnisse zu erzielen. Dadurch habe der Gesetzgeber aus Sicht der Antragsteller seine Pflicht verletzt, für den Schutz der verfassungsrechtlich verankerten Kinderrechte zu sorgen. Es gebe keinen Schutz der Kinder vor schwerwiegenden Beeinträchtigungen durch den Klimawandel, zudem werde beim Klimaschutz nicht auf eine im Zeitverlauf und über die Generationen hinweg gerechte Lastenverteilung Bedacht genommen, hatte es in dem Antrag geheißen.
Die alte Regelung des Klimaschutzgesetzes lief am 31. Dezember 2020 aus, seither sind hierzulande keine gesetzlichen Treibhausgas-Reduktionszielwerte mehr vorgegeben. Festlegen wollte man darin, die Republik bis 2040 klimaneutral zu gestalten, mit für Bund und Länder verbindlichen Emissionshöchstwerten für jedes Jahr. Bis 2030 sollte der Nettoausstoß halbiert werden, zehn Jahre später wollte man bei netto Null anlangen. Es geht um Sektoren wie Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude und Abfall, aber auch Teile der Energieerzeugung, die nicht unter das EU-Emissionshandelssystem fallen.
Mit den Regelungen wolle man drohende Strafzahlungen vermeiden, hat die Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) wiederholt argumentiert und von bis zu neun Milliarden Euro bis 2030 gesprochen. Seither sieht die Ministerin ihr Gesetz regelmäßig „auf sehr gutem Weg“, konnte aber noch immer keinen mit dem Regierungspartner akkordierten Begutachtungsentwurf vorlegen. Die ÖVP betont, dass das Gesetz nicht oberste Priorität genieße und man Klimaneutralität auch anders erreichen könne.
Mit Fortschreibung der bisherigen Klimaschutzmaßnahmen würde Österreich die EU-Klimaziele für 2030 klar verfehlen, kritisierte etwa Greenpeace den jüngsten Umweltbundesamt-Bericht.
„Fridays For Future“ zeigten sich enttäuscht von der Entscheidung des VfGH. Inhaltlich ändere es nichts an der Tatsache, dass das bisherige Klimaschutzgesetz „eine Katastrophe“ ist, so die Gruppe. „Das Urteil führt uns vor Augen, dass wir keine Möglichkeit haben, uns vor Gericht über die Zerstörung unserer Zukunft zu beschweren“, erklärte Daniel Shams von FFF. Die Organisation wolle weiter für besseren Klimaschutz kämpfen.
Die Bundesjugendvertretung (BJV) fordert nun „dringend politische Schritte“ ein, auch wenn die Klage aus formalen Gründen zurückgewiesen wurde. „Junge Menschen machen seit Jahren darauf aufmerksam, wie sehr sie sich in der Klimakrise von der Politik im Stich gelassen fühlen“, so BJV-Vorsitzende Sabrina Prochaska. „Die Sorgen unserer Generation müssen ernst genommen werden.“
Aus gänzlich anderen Gründen wollte ein Rechtsanwalt Paragraf 3 des Klimaschutzgesetzes vom VfGH aufgehoben haben. Er führte in seinem nun ebenfalls als unzulässig zurückgewiesenen Antrag aus, dass in den kommenden Jahren dramatische Maßnahmen zur Erreichung der vorgegebenen Klimaschutzziele ergriffen werden müssten, die seine Erwerbsfreiheit sowie sein Recht auf Eigentum und auf Achtung des Privatlebens einschränken würden.
Der Anwalt hatte nicht dargelegt, welche der von ihm genannten Maßnahmen jeweils in welche grundrechtlich geschützte Position eingreifen würden, hielt der VfGH ebenfalls in der Aussendung fest. Ein Antrag auf Gesetzesprüfung kann nur dann inhaltlich behandelt werden, wenn die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen dargelegt werden, betonten die Verfassungsrichter. Da diese zwingende Vorschrift nicht erfüllt war, wurde der Antrag ebenso wie jener der zwölf Kinder inhaltlich nicht bewertet, sondern formal zurückgewiesen.
Indes lagen noch weitere „Klimaklagen“ zur Behandlung beim VfGH, beispielsweise der Antrag einer Frau, die an Multipler Sklerose leidet, und sich gegen mehrere steuerliche Begünstigungen für die Luftfahrt wendet. Ebenfalls beraten wird noch eine Beschwerde von unter anderem einer steirischen Gemeinde und von Global 2000, wonach sich aus Art. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht nur eine Schutzpflicht des Staates zur Abwendung von Naturkatastrophen und -gefahren ableiten lasse, sondern auch ein Anspruch jedes Betroffenen auf Erlassung geeigneter Maßnahmen.
APA