Tiwag-Zeuge: Eigenstrom wird an der Börse mehrfach ver-und zurückgekauft. Auch dem eigenen Vertrieb wird der Börsenpreis verrechnet. AK ortet Spekulation.
Die Tiwag-Strompreise lassen seit dem Vorjahr die Wogen hochgehen. Im Frühjahr hat die AK Tirol gegen die Preiserhöhung der Tiwag im Sommer 2022 geklagt. Vorwurf: Obwohl die Tiwag mit 100 %Strom aus Tiroler Wasserkraft warb, wurde die Preiserhöhung mit dem teuren Börsenpreis begründet, ohne die eigene, günstige Wasserkrafterzeugung zu berücksichtigen. Die AK vermisst Transparenz bei den Beschaffungskosten und wollte dies nun vor Gericht klären lassen.
Gestern wurde am Bezirksgericht Innsbruck verhandelt. Es war ein Eintauchen in eine für Laien schwer durchschaubare Welt der Strompreise. Jede Megawattstunde Strom, die die Tiwag mit ihren Wasserkraftwerken produziert, werde „mehrfach an der Energiebörse gehandelt“, schilderte ein Energiehandels-Experte der Tiwag. Die Tiwag produziert selbst rund drei Terawattstunden Strom im Jahr. „Diese Menge wird drei-bis fünfmal an der Börse gehandelt. Nur dadurch lässt sich der bestmögliche Erlös erwirtschaften“, schilderte der Fachmann anhand eines Beispiels: Ist etwa für Dezember der Verkaufspreis an der Börse am höchsten, werde die Planerzeugung im Dezember verkauft. Ändern sich die Voraussetzungen, sodass etwa im November der Preis höher ist, werde die Dezember-Menge zurückgekauft und für November verkauft -die Differenz daraus steigere den Gewinn. Es sei ein ständiges Ver-und Zurückkaufen, so der Mitarbeiter. Unterm Strich werden somit aus den drei Terawattstunden Eigenstrom rund 14
Terawattstunden, die durch Ver-und Rückkäufe hin-und hergehandelt werden. Zweck der Speicherkraftwerke etwa sei es, „den besten Preis am Markt zu erzielen“.
Wird der erzeugte Tiwag-Strom innerhalb des Konzerns direkt an den eigenen Vertrieb und damit gleich an die Kunden weitergegeben, erfolge dies ebenfalls zum Börsenpreis. Wie viel die Tiwag eine selbst erzeugte Megawattstunde tatsächlich kostet? Geschäftsgeheimnis.
„Offensichtlich benutzt die Tiwag ihren selbst produzierten Strom, um ihn an der Börse zu handeln und Gewinne zu maximieren“, kritisiert AK-Experte Dominic Rief. „Selbst firmenintern wird die Eigenerzeugung zum Börsenpreis verkauft“, so Rief. Er kenne Stromerzeuger, die mit ihrer Eigenproduktion anders umgehen.
Grundsätzlich gelte der gesamte Strom, der in ein Netz eingespeist wird, generell als so genannter „Strom unbekannter Herkunft“, betonte der Tiwag-Zeuge. Jede produzierte Megawattstunde habe aber einen Herkunftsnachweis. Über diese Nachweise könne man rechnerisch über das Jahr hinweg versichern, dass Tiroler Kunden auch Wasserkraft-Strom aus Österreich bzw. Tirol erhalten.
Urteil gab es gestern noch keines, das erfolgt schriftlich. Die zweite AK-Klage gegen die diesjährige Preiserhöhung bei den „Altverträgen“ wird im Dezember verhandelt.
Tiroler Tageszeitung