Kurzfristig droht uns nächstes Jahr zwar ein neuerlicher Preisschock. Langfristig könnte Energie aber ein Geschäftsmodell für den Süden der EU werden.
Auch wenn die Preise für private Gaskunden in Österreich nach wie vor höher sind als vor Beginn des Krieges in der Ukraine, ist das Land eigentlich gut durch die dadurch ausgelöste Energiekrise gekommen. Der vor allem anfangs befürchtete Gasnotstand trat nie ein, die Speicher sind am Ende der Heizsaison zu drei Vierteln gefüllt und im Großhandel liegen die Preise nun sogar wieder auf dem Niveau des Jahres 2021. Geholfen haben dabei zwei warme Winter, und dass Österreich trotz der verschärften Rhetorik nach wie vor den überwiegenden Teil seines Gases aus Russland bezieht. Zuletzt waren es knapp 90Prozent.
Doch ab 2025 könnte sich das endgültig ändern. Denn da läuft der Vertrag zwischen Russland und der Ukraine über die Durchleitung von Gas nach Europa aus, und Kiew hat verständlicherweise keinerlei Interesse daran, dass die Aggressoren in Moskau weiterhin Milliarden an Gas-Euro erhalten, mit denen Waffen und Munition für die russische Armee finanziert werden. Für die meisten Länder Westeuropas ist das kein Problem, da sie ihre Versorgung in den vergangenen zwei Jahren bereits diversifiziert haben. Anders ist dies leider in Österreich.
Zwar blickt der größte Gasimporteur, die OMV, ebenfalls relativ entspannt auf dieses Datum. So hat sich der teilstaatliche Konzern sowohl Gas- als auch Pipelinekapazitäten gesichert, um seine Kunden mit nicht russischem Gas zu versorgen, wie Konzernchef Alfred Stern bereits mehrfach betonte. Zudem wäre die OMV wohl auch ihr Problem mit den bis 2040 laufenden Take-or-pay-Verträgen los. Laut diesen muss Gazprom an die österreichische Grenze liefern, geht das nicht, kann die OMV ohne Pönalen aussteigen.
Allerdings steht die OMV nur für 45Prozent des heimischen Gasmarktes. Und daher könnte es – regional auf Österreich und einige osteuropäische Länder begrenzt – erneut zu einem Angebotsschock kommen, prognostizieren Experten. Konkret könnte sich der Gaspreis neuerlich mehr als verdoppeln. Um das zu verhindern, müsste Österreich besser an das westeuropäische Netz angeschlossen werden, etwa durch ein 40Kilometer langes Pipelinestück in Oberösterreich. An diesem wird nun zwar mit Nachdruck gearbeitet. Allerdings geschah nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine fast zwei Jahre lang nichts, weil um die Kosten von 70Millionen Euro gestritten wurde. Und das in einer Zeit, in der regelmäßig Milliarden ausgegeben werden, auch wenn es sich nicht um essenzielle Energie-Infrastruktur handelt. Ein großes Versäumnis von Politik und Energiewirtschaft. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Arbeiten rechtzeitig ausgehen. Weitere Verzögerungen, etwa bei Genehmigungen, darf es jedenfalls nicht mehr geben.
Eines ist klar: Russland ist kein Partner mehr, von dem sich Europa abhängig machen darf. Kurzfristig wurde hierbei zwar Russland gegen die USA getauscht, die den Kontinent nun mittels LNG versorgen. Dabei handelt es sich jedoch zumindest um einen geopolitischen Alliierten des Kontinents.
Langfristig muss Europa bei der Energieversorgung auf Diversifizierung setzen. Und dabei könnte die aktuelle Energiekrise auch eine Chance sein. Denn sie zwingt, das gesamte Energiesystem schneller umzubauen. So wird Europa auch in Zukunft thermische Kraftwerke brauchen, um in kalten Wintern genügend Wärme und Strom zu haben. Allerdings sollen diese dann nicht mehr mit Erdgas, sondern mit Wasserstoff oder künstlich erzeugtem Gas befeuert werden. Doch woher soll dieser Brennstoff kommen? Derzeit sind dafür stark die Länder Nordafrikas oder des Nahen Ostens im Gespräch. Die Produktion von synthetischem Gas könnte aber auch ein Geschäftsmodell für Südeuropa werden.
So wird die globale Erwärmung dafür sorgen, dass in Spanien, Süditalien oder Griechenland manche Flächen nicht mehr für die Landwirtschaft nutzbar sein werden. Dort könnten große Fotovoltaik-Projekte entstehen, mit deren Strom dann Wasserstoff und synthetisches Gas erzeugt wird. Der Aufbau dieser Infrastruktur und der Leitungen nach Norden kostet Geld. Es ist aber sinnvoller, wenn Europa daheim investiert, als weiter Milliarden dafür zu bezahlen, abhängig zu bleiben.
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von Jakob Zirm
Die Presse