Der in der Energiekrise 2022 verstaatlichte deutsche Stromerzeuger Uniper muss vor einer Rückkehr an die Börse Insidern zufolge Ordnung in die alten Gas-Lieferverträge mit Russland bringen. Die Vereinbarungen ruhten, seien aber rechtlich noch gültig, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Dabei gehe es um Verträge mit dem russischen Gazprom-Konzern und Laufzeiten bis 2035.
Zwar sei es unwahrscheinlich, dass Russland den Gashahn nach Deutschland wieder aufdrehe. Das Restrisiko einer Kaufverpflichtung („Take or Pay“) könne Investoren aber abschrecken, Uniper-Aktien zu kaufen, sagten die Insider. „Dieses Problem muss gelöst werden“, betonte einer von ihnen.
Take-or-Pay-Verträge sind in der Gas-Branche weit verbreitet. Auch der italienische Versorger ENI und die österreichische OMV haben solche Vereinbarungen mit Gazprom abgeschlossen. Sanktionen der EU gegen russische Gaslieferungen gibt es nicht.
Derzeit laufen bei Uniper die ersten Vorbereitungen, um den Anteil von 99,12 Prozent, den der deutsche Bund an dem Energiekonzern hält, Stück für Stück wieder an die Börse zu bringen. Mit den Plänen vertraute Personen hatten Reuters im Februar gesagt, Berlin könnte bereits 2025 als ersten Schritt 20 bis 30 Prozent an der Uniper am Markt platzieren.
Mit seinem Einstieg hatte der Staat Uniper 2022 vor der Pleite gerettet, nachdem Deutschlands größter Gaskonzern wegen des russischen Gaslieferstopps Milliardenverluste eingefahren hatte. Nach Auflagen der EU-Kommission muss der Bund seine Beteiligung bis spätestens 2028 auf maximal 25 Prozent plus eine Aktie abschmelzen.
Das deutsche Finanzministerium, das für die Beteiligung verantwortlich ist, lehnte eine Stellungnahme ab. Auch von Gazprom war zunächst kein Kommentar zu erhalten.
Das Volumen der schlafenden Verträge von Uniper mit Gazprom beläuft sich den Insidern zufolge auf 250 Terawattstunden – rund 30 Prozent des deutschen Jahresbedarfs. „Wenn Gazprom jetzt wieder anfangen würde zu liefern, dann müsste Uniper das abnehmen“, sagt Christian von Hammerstein, Partner bei der Kanzlei Raue. Üblicherweise gebe es zwar bei solchen Vereinbarungen für etwa 20 Prozent der Vertragsmenge eine Flexibilität bei der Abnahme. Der Rest müsse aber wie abgemacht abgenommen und bezahlt werden – auch dann, wenn man die Lieferungen nicht mehr haben wolle.
Uniper hat seinen Gasbezug ohne seinen früheren Hauptlieferanten Russland neu aufgestellt und die Verträge buchhalterisch abgeschrieben. „Die mit Gazprom abgeschlossenen Gasbezugsverträge sind aufgrund der vollständigen Einstellung der Gaslieferungen seit Ende August 2022 mit einem beizulegenden Zeitwert von ‚0‘ bewertet“, heißt es im Geschäftsbericht 2023.
Uniper versucht derzeit, vor einem Schiedsgericht in Stockholm von Gazprom wegen des Lieferstopps Schadenersatz zu erstreiten, Insidern zufolge mehr als 14 Mrd. Euro. Sollte Uniper vor Gericht gewinnen, könnten auch die Verträge für ungültig erklärt werden. Gazprom habe im Gegenzug vor einem Gericht in St. Petersburg Schadenersatzforderungen in der gleichen Höhe wie Uniper eingereicht, sollte Uniper das laufende Schiedsgerichtsverfahren weiter vorantreiben.
Uniper erwarte ein Urteil im Schiedsgerichtsverfahren gegen Gazprom in den kommenden Monaten, sagte ein Konzernsprecher. „Gazprom ist seit Sommer 2022 seinen Lieferverpflichtungen nicht mehr nachgekommen, was bei Uniper zu Gasersatzbeschaffungskosten in Milliardenhöhe führte.“
APA/Reuters