110-kV-Leitung und WAG Loop: Fünf Fragen zum umstrittenen Infrastrukturprojekt
Eine gemeinsame Trasse für den Bau einer Gasleitung und einer 110-kV-Erdkabelleitung durch das Mühlviertel brächte keine Synergien. Im Gegenteil: Sie würde beide Bauvorhaben verzögern. Zu diesem Ergebnis kommt die energiewirtschaftliche Planungsbehörde der Abteilung Umweltschutz beim Land. Dies deckt sich mit der Einschätzung der damit befassten Unternehmen. Daher würde die Realisierung der beiden Projekte unabhängig voneinander verfolgt, sagt Energielandesrat Markus Achleitner. Worum geht es bei den beiden Projekten, und warum sind beide umstritten?
1 Warum braucht man eine Gasleitung von Oberkappel bis Bad Leonfelden?
Der Bau eines zweiten Strangs der West-Austria-Gasleitung (WAG Loop 1) soll helfen, die Unabhängigkeit Österreichs von russischem Gas zu erhöhen. Parallel zur existierenden Leitung, über die Gas Richtung Deutschland transportiert wird, soll eine 40 Kilometer lange Leitung für Gas aus dem Westen nach Österreich gebaut werden. Die Kosten sind mit 200 Millionen Euro veranschlagt. Diese Kosten wollte die Verbund-Beteiligung Gas Connect Austria (GCA) nicht allein stemmen, weil dies wirtschaftlich ein zu großes Risiko sei. Nun wird WAG Loop vom Finanzministerium gefördert. Wenn alles klappt, soll die Leitung 2027 fertig sein. Man hat leider sehr viel Zeit verloren.
2 Warum braucht man eine 110-kV-Leitung zwischen Rohrbach und Rainbach?
Das ist eigentlich die falsche Frage, denn die Sinnhaftigkeit stellt niemand in Frage. Das obere Mühlviertel braucht dringend Leitungskapazitäten. Der Streit dreht sich vielmehr um die Frage, ob die Leitung als Überland- oder als Erdleitung verlegt werden soll. Für eine Erdleitung sind Anrainer und Anrainergemeinden, nicht zuletzt aus Landschaftsschutzgründen. Die Netzfirmen argumentieren dagegen, dass eine Erdleitung für das 110-kV-Netz mehr als dreimal so teuer und nur halb so lange haltbar sei.
3 Warum eine gemeinsame Trasse?
Die Erdkabelbefürworter, nicht zuletzt einige Großgrundbesitzer und die Neos, argumentierten, wie berichtet, dass eine gemeinsame unterirdische Trasse für die beiden Leitungen die Umsetzung beider Vorhaben beschleunigen würde. Die großen Grundbesitzer haben angekündigt, sie würden einem Verlauf der Gasleitung über ihren Grund nur zustimmen, wenn parallel ein Erdkabel verlegt wird. Damit könnten sie den Bau zwar nicht verhindern, aber bis zu einer Enteignung massiv verzögern. Landesrat Achleitner hat eine solche gemeinsame Trasse nun auf Synergien prüfen lassen. Die Erdkabelbefürworter haben zudem ins Treffen geführt, dass die Salzburg AG, an der die Energie AG beteiligt ist, ein 25 Kilometer langes Leitungsstück mit Erdkabel und Gasleitung baue. Dies wird dort auch bestätigt, allerdings sei die Gasleitung kleiner als die im Mühlviertel geplante.
4 Warum doch keine gemeinsame Trasse?
Die vier betroffenen Netzgesellschaften GCA, Netz OÖ, Linz Netz und Austrian Power Grid haben allesamt festgestellt, dass eine Bündelung der Leitungen zeitliche Verzögerungen brächte. Eine Bündelung sei weder technisch noch wirtschaftlich sinnvoll. Das sieht auch die Landesbehörde so, wie sie im zuständigen Ausschuss des Landtags am Mittwoch ausführte. Eine gemeinsame Künette für beide Leitungen sei nicht genehmigungsfähig. Die Abstände zwischen den Leitungen müssten aus Sicherheitsgründen, auch weil durch die Gasrohre einmal Wasserstoff strömen soll, bis zu 40 Meter betragen. Das 110-kV-Projekt sei zudem bereit für eine Umweltverträglichkeitsprüfung, eine Neuplanung hieße „zurück an den Start“. Achleitner mahnt zur Eile: Die Versorgungssicherheit habe Vorrang.
5 Wie geht es weiter, wann wird welche Leitung fertig?
Für die Stromleitung soll die UVP-Prüfung noch im Juni beantragt werden, ein Baubeginn sei 2026 möglich, eine Fertigstellung 2028. Bei WAG Loop sei eine Fertigstellung 2027 denkbar, heißt es bei der GCA. Auf politischer Ebene war argumentiert worden, dass schon 2025 eine Inbetriebnahme möglich wäre. Das ist laut GCA-Chef Stefan Wagenhofer aber „schlichtweg falsch“. Die Bauzeit betrage lediglich ein Jahr, aber die Genehmigungsverfahren inklusive Verhandlungen mit den Grundeigentümern würden bremsen. Sollten große Grundstücksbesitzer jetzt ihre Drohung wahrmachen und bis zur Enteignung warten, werden die Zeitpläne aber wohl nicht halten.
Oberösterreichische Nachrichten