
Der Rechnungshof hat untersucht, warum der städtische Versorger gerettet werden musste. Er sieht „systemische Schwächen“ in Wien.
Der Rechnungshof lässt kein gutes Haar am Umgang der Wien Energie und deren Muttergesellschaft Wiener Stadtwerke mit der Energiekrise 2022, die im Sommer zur Quasi-Zahlungsunfähigkeit des städtischen Versorgers geführt hatte. In dem am Freitag vorgelegten Bericht orten die Prüfer „systemische Schwächen“ im Liquiditätsrisikomanagement, „in der Risikobewertung, -begrenzung, -steuerung und -berichterstattung“. Defizite habe es auch in der Organisation und im Zusammenwirken der Wien Energie und der Wiener Stadtwerke gegeben.
Wien Energie musste Ende August 2022 mit einem Darlehen der Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) über zwei Mrd. Euro gerettet werden. Zuvor hatte die Stadt bereits – geheim – ab Juli insgesamt 1,4 Mrd. Euro für die im Energiehandel notwendigen Sicherstellungen bereitgestellt.
Konkret haben laut RH sämtliche Kontrollinstanzen versagt. Es gab zwar ein Risikokomitee in der Wien Energie, doch es wurde nicht einberufen. Die Stadtwerke stellten ihrer Tochter Liquidität zur Verfügung, ohne Limit und ohne Alternativen einzufordern. Auch der Aufsichtsrat – den Vorsitz führt Stadtwerkechef Peter Weinelt – kümmerte sich laut Rechnungshof nicht intensiver als zuvor um das Risiko. Obwohl die Verwerfungen auf dem Strom- und Gasmarkt bereits vor Russlands Überfall auf die Ukraine die Großhandelspreise steigen ließen. Und mit ihnen die Sicherheiten, die an der Börse zu hinterlegen waren. Als der Strompreis Mitte August auf bis dahin unvorstellbare 1015 Euro pro Megawattstunde schoss, konnte das Problem nicht mehr stadtintern mithilfe von Notkompetenzen des Bürgermeisters gelöst werden.
Kritisch sehen die Prüfer, dass die Stadtwerke das Finanzministerium erst am Samstag, dem 27. August – zwei Tage vor Fälligkeit –, informiert haben, dass rund 1,8 Mrd. Euro notwendig waren. Auch die angeblichen Bemühungen der Stadt um einen bundesweiten Rettungsschirm für Versorger seien bis dahin an keine der zuständigen Stellen herangetragen worden.
Die Bereitstellung einer Liquiditätsreserve sei angesichts der damaligen Unsicherheit auf den Energiemärkten nachvollziehbar, heißt es weiter. Allerdings seien die Ausführungen der zuständigen Magistratsabteilung nicht ausreichend, „um die Höhe des beantragten Kreditrahmens und dessen Finanzierung durch die Stadt Wien hinreichend beurteilen zu können“.
Kritik gibt es auch am Aufsichtsrat der Stadtwerke. Dieser habe von Dezember 2021 bis August 2022 vier Beschlüsse über 8,4 Mrd. Euro Fremdmittel gefasst, zur Finanzierung der Wien Energie, von denen drei – bei steigendem Risiko – nicht in Aufsichtsratssitzungen erfolgt seien. Zudem wurden die Risiken des Energiehandels für den Stadtwerke-Konzern und Wiens Energieversorgung nicht hinterfragt.
Die Prüfer zweifeln überhaupt an der Kompetenz der Kontrollgremien: Die Besetzung des Aufsichtsrats der Wien Energie lasse darauf schließen, dass „vor allem die institutionelle Nähe zur Stadt Wien und ihren Unternehmen“ ausschlaggebend war. Künftig sollten auch Personen „mit unternehmerischer Expertise in der Energiewirtschaft“ aufgenommen werden.
Letztlich musste Wien Energie das Darlehen der OeBFA nicht in Anspruch nehmen, weil sich die Preise wieder normalisierten. Positiv bewerte der RH, dass es keine Hinweise auf den Abschluss spekulativer Handelsgeschäfte gegeben habe. Zu dem Schluss war 2023 auch die von Wien eingesetzte Untersuchungskommission gekommen.
von Monika Graf
Salzburger Nachrichten