Kritik an „monopolartiger“ Marktkonzentration am Gasmarkt

21. August 2024, Wien
E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch
 - Wien, APA/GEORG HOCHMUTH

Die Marktkonzentration am österreichischen Erdgasmarkt ist sehr hoch, man könne hier „von quasi monopolartigen Größenordnungen sprechen“, meint die Chefin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Natalie Harsdorf. Dass einzelne Anbieter so dominante Marktstellungen haben und die Strom- und Gaspreise höher sind als sie sein müssten, liegt aber auch an der geringen Bereitschaft der Energiekunden, ihre Anbieter zu wechseln, sagt E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch.

Die BWB und die Energie-Regulierungsbehörde haben am Dienstag den zweiten Zwischenbericht ihrer „Taskforce Strom & Gas“ vorgelegt. Seit dem ersten Zwischenbericht vom Juni 2023 habe es eine gewisse Entspannung bei den Preisen gegeben, so Harsdorf. Langsam seien wieder kompetitive Neukundenangebote auf dem Markt verfügbar, aber die Nachwirkungen der Krise im Jahr 2022 seien immer noch deutlich zu spüren. Die Marktkonzentration sei nach wie vor sehr hoch, bei Erdgas hätten die Landesenergieversorger und größten Stadtwerke in ihren Netzen eine ähnlich starke Marktstellung wie bei Strom.

So würden in Wien alternative Gasanbieter nur auf rund ein Viertel Marktanteil kommen. Im zweitgrößten Netz, in Niederösterreich komme die EVN auf 70 Prozent Marktanteil, das sei nur etwas weniger als bei Strom. Auch im Burgenland dominiert der Landesenergieversorger ähnlich wie bei Strom. Im Westen Österreichs kommen die Landesenergieversorger auf Marktanteile über 90 Prozent, mit einem Spitzenwert von 97 Prozent in Vorarlberg.

Dass die Landesversorger so unangefochten agieren können, liegt auch an den Energiekunden, von denen die meisten gar nicht wissen, wie viel sie für Strom und Gas bezahlen. 84 Prozent der Gaskunden wissen nicht, wie hoch ihr Gaspreis ist, 68 Prozent wissen nicht, wie viel sie für die Kilowattstunde Strom bezahlen. „Das ist aber die wesentliche Voraussetzung, um überhaupt eine Entscheidung treffen zu können, ob ich den Lieferanten wechsle, oder eben nicht“, sagte Urbantschitsch. Mehr als die Hälfte der Kunden habe überhaupt noch nie ihren Energielieferanten gewechselt. Diese Trägheit ermögliche es den lokalen Anbietern, höhere Preise durchzusetzen.

Mit verantwortlich dafür seien die Indexanpassungsklauseln in Energielieferverträgen, die oft intransparent und inkonsistent seien. „Das zeigen auch entsprechende Gerichtsentscheidungen“, so Urbantschitsch. „Da warten wir natürlich alle auf die höchstgerichtlichen Entscheidungen diesbezüglich.“ Vor allem die unterschiedlichen Arten von Preisanpassungsklauseln und -formeln würden es Kunden praktisch unmöglich machen, die Preiserhöhungen vorherzusehen. Wichtig wäre für mehr Transparenz auch eine monatliche Energierechnung. „Wenn ich einmal im Monat eine Rechnung bekomme und weiß, wie viel ich bezahle, dann kann ich auch reagieren und kann mich vor solchen hohen Preisen schützen, ich kann einfach abwandern.“

Beginnend mit dem Jahr 2023 habe es vermehrt Beschwerden bei der E-Control wegen extrem anmutender Preise gegeben, berichtete Urbantschitsch. Diese Preise lagen bei Strom teilweise erheblich höher als 61 Cent pro Kilowattstunde und bei Gas höher als 25 Cent/kWh. „Derartige Preise sind auf Basis von Einkaufsstrategien für die Taskforce kaum oder schlicht nicht nachvollziehbar, da sie im Extrem bei über 300 Prozent der aktuell teuersten, aber noch plausiblen Einkaufsstrategien liegen.“

Harsdorf wiederum appelliert an die nächste Regierung, rechtzeitig für eine Verlängerung des „Bundesgesetzes zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden Energieversorgern“ zu denken. Dieses Gesetz, bei dem es um eine kartellrechtliche Energiepreiskontrolle gehe, werde nämlich sonst Ende 2027 außer Kraft treten.

Aufklärungsbedarf sieht die BWB auch im Fernwärmesektor und startet deshalb Branchenuntersuchung in diesem Sektor, weil sie Wettbewerbseinschränkungen vermutet. Rund ein Drittel der Haushalte in Österreich werden mit Nah- oder Fernwärme versorgt. Untersuchen wollen die Wettbewerbshüter vor allem die Fernwärmemärkte, auf denen die großen Landesenergieversorger wie Wien Energie, Energie Steiermark, KELAG, Salzburg AG, Energie AG und EVN aktiv sind.

Die Arbeiterkammer (AK) begrüßte in einer Reaktion die angekündigte Fernwärme-Branchenuntersuchung. Tobias Schweitzer von der AK Wien schlägt vor, dass Wettbewerbsbehörden nach Marktuntersuchungen konkrete Maßnahmen gegen Missbrauch oder Wettbewerbsstörungen anordnen können, wie das auch in Deutschland der Fall sei. Für Krisenzeiten fordert die AK eine gesetzliche Verankerung der Stromkostenbremse und einer Wärmekostenbremse. Haushalte mit niedrigem Einkommen sollen außerdem einen Anspruch auf einen ermäßigten Tarif für ihren Grundbedarf an Strom und Wärme haben.

Während sich die Fernwärme-Branche gut für die Untersuchung ihres Bereichs gerüstet sieht, wie sie in einer Aussendung wissen ließ, kam von der SPÖ, FPÖ und den NEOS harsche Kritik an den Regierungsparteien. So belegt der Zwischenbericht aus Sicht der Sozialdemokraten, dass ÖVP und Grüne einen „energiepolitischen Scherbenhaufen“ hinterließen. Krisengewinner seien die Energieunternehmen, so der rote Energiesprecher Alois Schroll. Zum Teil würden völlig überhöhte Preise verlangt, es sei damit spekuliert worden, dass die Menschen in ihrem Leben andere Dinge zu tun hätten, als täglich den Tarifrechner der E-Control zu bedienen und nach günstigeren Tarifen zu suchen, so Schroll dazu, was der Bericht aus SPÖ-Sicht beweise.

„Statt weiter an irgendwelche Marktkräfte zu glauben, wäre es notwendig gewesen, von Beginn der Krise an in den Energiemarkt einzugreifen, doch die schwarz-grüne Regierung hat es verabsäumt, die Stromkostenbremse dauerhaft gesetzlich zu verankern und eine Gas- bzw. Wärmekostenbremse durchzusetzen“, so Schroll. „ÖVP und Grüne haben ebenfalls kein Elektrizitätswirtschaftsgesetz zustande gebracht, das die Energiearmut gesenkt hätte.“

Ähnlich äußerten sich die NEOS. „Schluss mit Politikern, die in den Aufsichtsräten der Landesenergieversorger lieber in die eigene Tasche wirtschaften und die Gewinne dann in den Landesbudgets versickern lassen“, forderte Energiesprecherin Karin Doppelbauer. Es brauche mehr Wettbewerb, ein Ende der „teuren Mehrgleisigkeit bei den Netzbetreibern“, mehr Preistransparenz und eine Angebotspflicht für Energieunternehmen im Land.

Auch die Freiheitlichen sahen sich in ihren „immer wieder artikulierten Befürchtungen“ wegen des Berichts „bestätigt“. Energiesprecher Axel Kassegger: „Die Energieversorger haben die Kunden jahrelang zum Teil groß abgezockt, während sie gleichzeitig aber Milliarden Gewinne machten.“ Die Konzerne hätten Rekordgewinne auf Kosten der Bürger gemacht. „Dazu kommt noch, dass die schwarz-grüne Regierung mit einem völlig untauglichen Energiekrisenbetragsgesetz die EVUs auch noch verschonte und diese anstatt der von ÖVP-Finanzminister Brunner in Aussicht gestellten Einnahmen von zwei bis vier Milliarden Euro mit Stand Dezember 2023 lediglich rund 254 Millionen Euro ablieferten“, so Kassegger.

Von den Grünen hieß es, dass es deren „beharrlichen Druck zu verdanken“ sei, dass das Gesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und Verbesserung der Marktbedingungen gekommen sei. Damit werde das kartellrechtliche Missbrauchsverbot für den Energiemarkt konkretisiert für mehr Fairness im Interesse der Endkundinnen und -kunden gesorgt. „Wir wollen auch eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts nach deutschem Vorbild, um wirkungsvolle Maßnahmen im Nachgang von Branchenuntersuchungen anordnen zu können und haben unserem Koalitionspartner auch entsprechende Vorschläge unterbreitet“, so Energiesprecher Lukas Hammer. Diese seien vom zuständigen türkisen Minister Martin Kocher bisher nicht aufgegriffen worden, obwohl auch der vorliegende neue Bericht untermauere, „dass derartige Reformen nach wie vor sinnvoll und notwendig wären“. Man werde dranbleiben, so Hammer.

APA

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