Die Salzburg AG stellt gerade die Weichen, damit die Dekarbonisierung bis 2030 umgesetzt werden kann. Der neue Vorstandssprecher Michael Baminger setzt beim Thema Energiewende auf klare Kommunikation.
Die Ziele sind ambitioniert: Bis 2030 will Österreich zu 100 Prozent erneuerbare Energie erzeugen, bis 2040 will man komplett klimaneutral sein. Das Land Salzburg zieht mit seinem „Masterplan Klima+ Energie 2030“ mit. Salzburg liegt mit 48 Prozent erneuerbarer Energie im nationalen Gesamtenergieverbrauch an zweiter Stelle. Ausbaufähig ist hier die Windkraft: Während in Niederösterreich 797 Windkraftanlagen mit 2082 Megawatt Leistung Strom für über 1,4 Millionen Haushalte liefern, steht man in Salzburg mit diesem Thema erst am Anfang. Hier wird mit Windmessungen im Flachgau und Pongau der Boden bereitet. Steht fest, welche Standorte geeignet sind, soll Windkraft auch im Bundesland Einzug halten, insbesondere zur Überbrückung erzeugungsschwacher Monate bei Wasserkraft und Photovoltaik und um einzelne Regionen unabhängiger zu machen, sagt Michael Baminger, Vorstandssprecher der Salzburg AG. Zwei recht konkrete Standorte habe man bereits, bei einem seien die Pläne eingereicht, beim anderen Standort liefen die Vorbereitungen. „Wir hoffen, dort die optimale Konstellation aus ökologischer Möglichkeit, Winddichte, Windverhalten vorzufinden und in einer angemessenen Genehmigungsdauer gute Anlagen aufstellen zu können.“Die Windkraft will der Vorstandssprecher nicht schönreden: „Neben den Standorten stellt sich die Frage, wie man die Energie von dort wegbringt oder wie groß der Eingriff in die Natur dann wirklich ist. Ein Windrad ist immer auch eine ästhetische Komponente.“
Ausbau der Erneuerbaren und des Stromnetzes
Die weltpolitischen Ereignisse haben die Notwendigkeit, die Energiewende rasch umzusetzen, deutlicher denn je vor Augen geführt. Es braucht also viel Geld, um für die Zukunft fit zu sein. In den nächsten Jahren sollen in Salzburg 1,7 Milliarden Euro in den Ausbau von erneuerbarer Energieerzeugung, von Strom-,Gas-,Fernwärme-und Glasfasernetzen und der E-Mobilität fließen. Weil sich der Stromverbrauch in absehbarer Zeit enorm erhöhen wird, will die Salzburg AG bis 2040 zwei Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, fast doppelt so viel wie aktuell. Bis Ende des Jahres werden 111,6 Millionen Euro für den Ausbau der erneuerbaren Erzeugung eingesetzt worden sein. In den Netzausbau fließen 143 Millionen Euro, davon 122 Millionen in das Strom-und Gasnetz.
Als „größten Brocken“ bezeichnet Baminger das Thema erneuerbare Energie, die Ertüchtigung der Netze, vor allem der Stromnetze. „Wir brauchen alles, was an Erzeugung ökologisch und ökonomisch vertretbar ist, und wir brauchen dezentrale Lösungen. Da gehören Energiegemeinschaften dazu, da gehört hoffentlich einmal dazu, dass das E-Auto, das in der Garage steht, in der Nacht be-und als haushaltseigene Stromquelle auch entladen werden kann.“
Bei Netzüberlastung gibt es Stellschrauben
In Salzburg hat seit Jahrhunderten die Wasserkraft Tradition. 500 Anlagen produzieren rund 4300 Gigawattstunden, das entspricht rund 88 Prozent der gesamten Stromproduktion Salzburgs. Weil diese Art der Stromproduktion Schwankungen unterliegt, werden die vorhandenen Standorte optimiert. Neu gebaut werden die Wasserkraftwerke Rotgülden, Stegenwald und Sulzau. Solarstrom stammt aus 26.200 PV-Anlagen im gesamten Bundesland, dazu zählt auch die Stromproduktion privater Haushalte. „In den ersten acht Monaten des Jahres sind rund 3200 Anlagen dazugekommen“, sagt Vorstandssprecher Baminger, „mit Anfang September hatten wir eine installierte Gesamtleistung von mehr als 410 Megawattpeak.“
Hier besteht für Netzbereitsteller die große Herausforderung in der Flexibilität, durch Erneuerbare die Strommenge beizubringen, wenn sie verbraucht wird. Im Notfall soll es möglich sein, private PV-Anlagen kurzfristig vom Netz zu nehmen, wenn zu viel Sonnenstrom erzeugt wird und nicht verbraucht werden kann. Auf Netzinfrastrukturseite würde das eine massive Entlastung bei den Kosten bringen. Baminger: „Wir haben da viele Stellschrauben und experimentieren darüber hinaus mit Ladestationen, die mit Batterieakkus versehen sind, oder mit großen Batterieanlagen.“
Dekarbonisierung bei Fernwärme
In puncto Photovoltaik weist Michael Baminger darauf hin, dass der Eigenverbrauch möglichst abgedeckt beziehungsweise der Strom gespeichert werden sollte, um dadurch extern weniger Energie beziehen zu müssen. Damit können die Kosten gesenkt werden. Weil der Strombedarf steigen wird, werde man nicht um das Thema Energiesparen herumkommen-auch wenn die Mahnungen seitens politischer Entscheidungsträger im Volk nicht gern gehört werden. „Wir als Energieunternehmen sind die Letzten, die etwas dagegen haben, wenn Kunden Energie einsparen. Jede nicht verbrauchte Kilowattstunde ist eine gute“,sagt Baminger.
Neben dem Ausbau von Wind-,Wasser-und Sonnenkraft und der Netze müsse Energieeffizienz in diesem Zusammenspiel eine weitere Säule sein. „Da hängen viele alte Überzeugungen dabei, dass wir an jeder Kilowattstunde, die wir verkaufen, unseren Erfolg gemessen haben. Das wird bei der Energietransformation nicht der wirtschaftlich zentrale Faktor sein“,zumal schon jetzt nicht wenig Strom dazugekauft werden müsse. Wobei: Mit erhobenem Zeigefinger wolle man hier nicht vorgehen. „Ob es am Ende zu einer Verhaltensänderung führen wird, hängt letzten Endes von den Kundinnen und Kunden ab. Die Menschen können rechnen.“
Das Thema Fernwärme sieht man bei der Salzburg AG als einen „etwas kleineren, aber anspruchsvollen Brocken“ und als eine sehr gute Gelegenheit zu dekarbonisieren, sagt der Vorstandssprecher. Noch stammt der Gutteil der Wärme aus fossilen Energieträgern. Der erste Schritt sei mit der Biomasse Siezenheim getan, hier sei man auf 44 Prozent CO2-Neutralität gekommen. Zudem ist geplant, künftig die Abwärme des Holzverarbeiters Kaindl zu nutzen. „Das ist doppelt charmant und man würde bei der CO2-Neutralität auf über 50 Prozent kommen“,sagt Baminger. Mit zusätzlichen Ideen in puncto Biomasse und neuen Projekten zur Nutzung von Abwärme sei das Ziel, bis 2040 CO2 freie Energie produzieren zu können, durchaus erreichbar.
Lernen aus der Vergangenheit
Es war zuletzt keine einfache Zeit für die Salzburg AG: Der Ukrainekrieg trieb die Preise für Energie und Strom in die Höhe, Personalmangel bremste die Verkehrssparte aus. Über vergangene Fehler und die Frage, was man hätte besser machen können, möchte der neue Vorstandssprecher Michael Baminger nicht sprechen: „Ich will keine Noten verteilen für eine Zeit, in der ich noch nicht da war. Das Wesentliche ist wohl die Frage, wie machen wir es besser, sollten wir noch einmal in eine solche Situation kommen.“Ja, in den Obussen hätten viele Fahrer gefehlt, die Stimmung sei nicht immer gut gewesen, auch und gerade bei den Fahrgästen. „Unser Fokus war in die Zukunft gerichtet mit der Frage, wie das Problem schnell behoben werden kann.“Herzugehen und einen raschen Zehnminutentakt anzukündigen, der möglicherweise nicht umsetzbar ist, ist Bamingers Sache nicht. „Wir müssen klar sein mit dem, was geht und was nicht geht“,sagt er. „Das produziert natürlich die Kritik, alles gehe zu langsam. Mir ist das aber lieber als Versprechen, die wir nicht einlösen können und bei denen letzten Endes das Fahrerteam dafür bezahlt.“Seit September ist der Zehnminutentakt umgesetzt, die Maßnahmen hätten gegriffen.
Pragmatisch will Michael Baminger auch das Thema Energiewende angehen. „Ich bin sehr für klare Botschaften: Was funktioniert, was nicht, was wissen wir schon, was nicht? Das sehe ich als riesige Hebeübung“,betont der Vorstandssprecher. Auch auf die Gefahr hin, dass sich im Nachhinein herausstellt, dass manches anders hätte entschieden werden müssen. „Wenn wir davon ausgehen, dass ein Projekt beim Start der Reise fertig dekliniert sein muss, wird es nichts werden“, sagt Baminger. Diese Reise gehe nur Schritt für Schritt, was an Wissen da sei, müsse umgesetzt werden; wichtig sei, ins Handeln zu kommen. Ideologie sei in Veränderungsprozessen nie hilfreich. Energiepolitik habe einen Basisnenner, sagt der Vorstandssprecher, und das ist die Physik. „Einem Elektron ist es egal, wo die Ideologie zu Hause ist.“
Die Energiewirtschaft in zehn Jahren
Wo genau wird die Salzburger Energiewirtschaft in zehn Jahren stehen? Baminger: „Wir werden sehr große Schritte gemacht haben in zusätzlicher erneuerbarer Erzeugung. Wir haben uns vorgenommen, bis 2040 quasi unsere eigene Kapazität in etwa zu verdoppeln, aus Wasserkraft, aus Winderzeugung, aus Photovoltaik. Und wir werden in zehn Jahren jedenfalls unsere ersten Windräder in Salzburg haben.“ Er hofft, dass die bislang noch sehr mühsamen Genehmigungsverfahren dann auch an den Zeitdruck angepasst sind, der in der aktuellen Transformationszeit besteht. „In zehn Jahren werden wir aus diesem Energiemix einen großen Beitrag dazu geleistet haben, dass Dekarbonisierung in Salzburg funktioniert.“
Salzburger Nachrichten