
Bis sich in Tirol ein erstes Windrad dreht, dürfte vermutlich noch viel Zeit vergehen. Dem Land liegt nämlich bis dato noch kein einziger Antrag auf Genehmigung einer Windkraftanlage vor. Der stellvertretende Landesumweltanwalt Walter Tschon sah im APA-Gespräch dafür aber ohnehin nur wenig Chancen im Bundesland: „Ich glaube, es wird in Tirol vielleicht eine Einzelanlage kommen. Aber sicher kein Windpark mit sechs oder sieben Anlagen.“
Gut 30 Standorte waren laut Tschon bereits einmal vorab – also vor dem Genehmigungsprozess – in der dafür zuständigen Anlaufstelle des Landes zur Abklärung eingebracht worden, 16 Projekte wurden eingehender geprüft. Realistische Chancen seien hier aber aus verfahrensrechtlicher und wirtschaftlicher Sicht nur „einer Handvoll“ eingeräumt worden. Projektbestrebungen gebe es indes in ganz Tirol – sowohl im Ober- als auch im Unterland sowie in Osttirol.
Oftmals Ablehnung in der Bevölkerung
Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Aspekt sei die ablehnende Haltung bzw. auch der Widerstand der ansässigen Bevölkerung. „Da wo der Wind gut wäre im alpinen Bereich, da will man die Anlagen nicht“, sprach Tschon von einer teils „emotionalen“ Debatte. Größere ausländische Unternehmen würden sich dies dann „nicht mehr antun“. In Osttirol oder in Ehrwald im Außerfern habe es etwa Projektideen mit Windmessungen gegeben. „Die sind aber von der Bildfläche verschwunden, weil der Aufstand zu groß war“, schilderte der Landesumweltanwalt.
Ähnliches ist offenbar bereits bei einem aktuell diskutierten Vorhaben auf der Simmeringalm in Obsteig (Bezirk Imst) der Fall. Dort hatte sich die „Alpinteressentschaft Simmering“ Mittwochabend bei einer Versammlung laut Medienberichten mit großer Mehrheit gegen eine Windkraftanlage bzw. Windpark ausgesprochen. Vier Windräder wollte ein Niederösterreichisches Unternehmen auf dem Plateau am Simmering aufstellen. Auch eine Bürgerinitiative hatte im Vorfeld massiv dagegen mobil gemacht. Damit sei das Thema für die nächsten Jahre vom Tisch, sagte Agrarobmann Dominik Pfausler im Anschluss gegenüber dem ORF Tirol. Auch eine geplante Anlage am Waldraster Jöchl im Stubaital, mitten in einem Tourismusgebiet, war für Landesumweltanwalt Tschon unter anderem mangels örtlicher Unterstützung nicht realisierbar.
Windkraftpotenzial bei rund fünf Prozent
Eine Studie aus dem Jahr 2023 attestierte der Windkraft in Tirol zur Deckung des Energiebedarfs mit 4,9 Prozent ein eher geringes Potenzial. Dies würde 800 bis 1.200 Gigawattstunden an Energie bedeuten. „Erste Ergebnisse zeigen, dass man bei weitem nicht zu diesen fünf Prozent kommt“, nannte Tschon etwa Vogelschlag als möglichen Ausschlussgrund. Tirol werde „nie eine gewichtige Rolle in der Windkraft einnehmen“, hielt er fest. Es könne jedoch durchaus „geeignete Standorte“ im Bundesland geben.
Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hatte vor eineinhalb Jahren eine Förderung von 100.000 Euro für die Errichtung des ersten Windrades ausgelobt. Für Tschon wäre dies „ein Zuckerl“ für kleine Anlagenerrichter – wie es etwa der Seilbahnenchef und ehemalige ÖVP-Abgeordnete Franz Hörl im Zillertal versuchte und letztlich aufgab. „Er hat das wirklich lange probiert“, zollte ihm Tschon Respekt.
Der zuständige Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) bekundete indes gegenüber der APA weiterhin das Interesse des Landes an der Windkraft. „Es gibt Potenzial für Windkraft in Tirol, wenn auch in einem überschaubaren Ausmaß. Dem wollen wir uns nicht verschließen – jeder Schritt in Richtung Energieautonomie ist wichtig.“ Tirol will bis 2050 energieautonom werden.
APA