Probebetrieb für Stromtausch in Osttirol

16. April 2025

Die Regionalenergie Osttirol hat im Vorjahr eine eigenständige Genossenschaft gegründet, die Stromproduzenten und Abnehmer direkt verbindet. Tausende Mitglieder erwartet.

In Osttirol sind bereits Tausende Photovoltaikanlagen in Betrieb, und es kommen täglich neue hinzu. Die Stromgewinnung aus Sonnenenergie bietet den einzigartigen Vorteil, dass jede Privatperson mit relativ geringem Aufwand ein Kraftwerksbetreiber sein kann. Möglich sind zum Beispiel Kleinstanlagen mit ein oder zwei Modulen am Balkongeländer, wenn der Vermieter oder die Hausgemeinschaft einverstanden sind. Bäuerliche Betriebe verfügen über riesige Dachflächen und installieren entsprechend leistungsfähige Anlagen. Auch Industriebetriebe und manche Gemeinden in Osttirol verfügen inzwischen über bedeutende Photovoltaikkraftwerke, die zu bestimmten Zeiten mehr Strom erzeugen, als für den Eigenverbrauch benötigt wird.

Der stark schwankende Ertrag zwischen Stillstand und Maximalleistung, je nach Wetter und Tageszeit, macht den Ausgleich durch das öffentliche Stromnetz nötig. Überschüsse werden auf das gesamte Stromnetz verteilt, und liefert das eigene Sonnenkraftwerk gerade überhaupt keinen Strom, hilft bis zum nächsten Sonnenaufgang ein öffentlicher Energieversorger aus.

Die Regionalenergie Osttirol entwickelt gerade eine Tauschbörse für Strom im gesamten Bezirk. Es handelt sich rechtlich um eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG), wie sie erst seit wenigen Jahren in Österreich bestehen dürfen, um Energie (Strom, Wärme oder erneuerbares Gas) aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, zu speichern und zu verbrauchen. Das Besondere beim Ansatz der Regionalenergie Osttirol ist, dass die Mitglieder der eigens gegründeten Genossenschaft „REO Strom eGen“ ihren Strom auf dem kürzestmöglichen Wegmiteinander teilen und verbrauchen. Dadurch entfällt zum Teil sogar das Netznutzungsentgelt pro Kilowattstunde, wenn die Anbieter und Abnehmer an der gleichen Trafostation hängen oder zumindest vom selben Umspannwerk versorgt werden. Sechs Umspannwerke gibt es im Bezirk Lienz, und auf sie bleibt das Angebot lokal beschränkt.

Das System der Regionalenergiebasiert wesentlich auf den Daten der elektronischen Stromzähler (Smart Meter). Anhand von Viertelstunden-Mittelwerten nimmt die REO Strom den einzelnen Photovoltaikbetreibern nur genau so viel Strom ab, wie die Mitglieder in der Genossenschaft gerade verbrauchen können. Mögliche Überschüsse fließen also weiterhin direkt beim Erzeuger ins öffentliche Netz, auch eine Unterversorgung wird auf diese Weise jederzeit vermieden. Sämtliche Bezugs- und Einspeiseverträge der Genossenschaftsmitglieder bleiben aufrecht, die REO Strom schaltet sich parallel dazu. Innerhalb der Genossenschaft sollen alle Mitglieder, ganz gleich, ob Betreiber oder reine Stromkonsumenten, von günstigen Tarifen profitieren. Die Preise sollen künftig nicht stündlich oder täglich, sondern in etwa zweimal pro Jahr ausgehandelt werden. Durch den Wegfall der Netzkosten soll der Preis für eine Kilowattstunde innerhalb der Genossenschaft um vier bis fünf Cent niedriger ausfallen.

„Seit dem Sommer des Vorjahres läuft ein sehr vielversprechender Probebetrieb in Sillian“, führt Ferdinand Mossegger aus, Geschäftsführer der Regionalenergie Osttirol mit Sitz in Tristach. Am Testbetrieb in der Marktgemeinde sind 30 Mitglieder beteiligt. Das technische System, das die REO Strom für die Stromverteilung und Abrechnung einsetzt, soll sämtliche Daten vollautomatisch abstimmen und darüber hinaus den einzelnen Mitgliedern anschauliche Statistiken liefern. „Wie man sich vorstellen kann, sind diese Prozesse extrem anspruchsvoll. Erst recht, wenn wir bald hunderte oder tausende Mitglieder in Osttirol haben. Wir rollen das Angebot aus, sobald keine Kinderkrankheiten mehr auftreten“, sagt Mossegger. Möglich ist aus heutiger Sicht ein Start frühestens im Juni. Eine Registrierung ist auf der Homepage der Regionalenergie bereits möglich.

„Dass solche vollautomatischen Abrechnungen bestens funktionieren, sehen wir seit mehr als zehn Jahren bei unserem E-Car-Sharing Flugs“, setzt Mossegger große Hoffnungen in die nahe Zukunft. „Auf diesen Erfahrungen bauen wir auf und bieten bald allen Osttirolern Strom an, der tatsächlich ausschließlich in Osttirol erzeugt wird.“ Sämtliche Anlagen zur Stromproduktion kommen für die Nutzung innerhalb der Genossenschaft in Frage. Mitglied werden können alle, vom reinen Stromkunden, der Gemeinde bis hin zum Industriebetrieb. Bis zu einer Einspeiseleistung von 50 Kilowatt ist ein einmaliger Genossenschaftsbeitrag von 50 Euro zu leisten, für alle stärkeren Anschlüsse der doppelte Betrag.

von Christoph Blassnig

Kleine Zeitung