Wer ist bei der Windkraft stärker, Herr Achleitner: Sie oder Sie?

5. Mai 2025, Linz

Landesrat Achleitner argumentiert beim Projekt Sandl gegen den Wirtschaftsbund

Die VP-FP-Koalition sei entgegen manchen Unkenrufen für den Ausbau der Windkraft im Land und werde die Zielvorgaben 2030 und 2040 erfüllen, sagt Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner. Im Fall Sandl wird der Wirtschaftsbündler aber zum Kämpfer für die Natur.

OÖNachrichten: Die Iberische Halbinsel war mit einem Blackout konfrontiert, der das Leben kurzfristig lahmlegte. Wie wahrscheinlich ist es, dass so etwas in Österreich bzw. Oberösterreich auch passiert?

Markus Achleitner: Ausschließen kann man so etwas nie. Wir haben aber den Vorteil, dass wir viele Flusskraftwerke haben, die kaltstartfähig sind. Man kann das Stromnetz schnell damit aufbauen, das grundsätzlich sehr stabil ist. Selbst wenn etwas passieren würde, könnten wir rasch das System wieder hochfahren.

Oberösterreich muss ein ambitioniertes Programm zur Energiewende abarbeiten. Wie weit sind wir?

Man muss die Energiewende gesamthaft betrachten, statt sie auf Strom zu beschränken. Beim Strom stammen 89 Prozent der erzeugten Energie aus erneuerbaren Energieträgern. Das Ziel, bis 2030 auf 90 Prozent zu kommen, ist in Reichweite, auch wenn man berücksichtigt, dass der Strombedarf steigt. Die Energie AG investiert rund 200 Millionen Euro in das neue Kraftwerk Traunfall, die Zahl der PV-Anlagen ist seit meinem Amtsantritt 2018 von 13.000 auf 125.000 gestiegen. Auch beim Wind wird ausgebaut, wo wir klar sagen, wo wie schnell gebaut werden darf. Und wir brauchen Stromspeicher bei Haushalten, Firmen und den Oberösterreich-Speicher in Ebensee. Und den Sommer-Überschuss müssen wir für den Winter lagerfähig machen.

Bei der Wärme ist die Herausforderung größer.

Tatsächlich liegen wir bei den Haushalten schon bei 68 Prozent Erneuerbaren mit den Wärmepumpen. Fordernd wird es bei der Industrie. Hier brauchen wir einen Mix mit grundlastfähiger Energie. Die industrielle Wärme wird die Mega-Challenge. Wir müssen uns aber auch bewusst sein, dass Europa nur die Hälfte des Ökostroms erzeugen kann, den es benötigt. Hier geht es um Wasserstoff, den wir von möglichst verschiedenen Lieferanten beziehen sollten.
Einig sind sich Energieexperten, dass Oberösterreich mehr Windkraft benötigt.

Was wir auch wollen.

Aber wie soll dieser Ausbau funktionieren?

Wir teilen Oberösterreich auf Basis der Beurteilung von Fachleuten in Beschleunigungszonen, neutrale Zonen und Ausschlusszonen. Mit den Ausschlusszonen haben wir begonnen, weil dafür keine strategische Umweltprüfung notwendig ist. In den Beschleunigungszonen – rund 8900 Hektar – werden keine Widmung und keine Umweltverträglichkeitsprüfungen mehr notwendig sein.

Wie erreichen Sie die Vorgaben?

Bis 2030 brauchen wir 1000 Gigawattstunden Windkraft zusätzlich, bis 2040 1800 GWh. Derzeit erzeugen 31 Anlagen 100 GWh. Im Kobernaußerwald sind zwei Ausbaustufen mit 39 Anlagen und rund 640 GWh möglich, Sternwind im Mühlviertel wird 100 GWh bringen, die Erweiterung von Lohnsburg 84 GWh. In neutralen Zonen, wo der Bau genehmigungsfähig ist, gibt es Projekte in Königswiesen, Schenkenfelden, Lachforst, Rainbach, Grünbach und Windhaag mit insgesamt knapp 400 GWh. Kein Projekt gibt es im Weilhartsforst, wo bis zu 19 Anlagen mit 300 GWh realistisch sind. Oberösterreich hat vielleicht weniger Beschleunigungszonen, aber insgesamt – Beschleunigungs- und neutrale Zonen – wesentlich mehr Fläche als die anderen Bundesländer.

Aber im Weilhartsforst stellen sich die Interessenten schon an.

Da gibt es Interessenten. Bis 2030 wären wir 300 GWh über dem Ziel, bis 2040 180 GWh unter dem Ziel, aber es gäbe ja weitere Möglichkeiten für Projekte. Wir wollen den Ausbau der Windkraft. Wo er genehmigungsfähig ist, wird er genehmigt.

Dieses Gefühl hat man nicht, wenn man Ihrem Koalitionspartner, der FPÖ, zuhört, die mit der Windkraft zu fremdeln scheint und immer wieder mit dem Argument daherkommt, durch Windkraft würden so viele Vögel sterben. Die sterben aber auch in Beschleunigungszonen.

Die Kritiker vergessen, dass die Ausschlusszonen fachlich begründet sind.

Das Projekt Sandl mit einem Projektvolumen von mehr als 200 Millionen Euro befindet sich in einer Ausschlusszone, das die Bevölkerung will und das von Privaten finanziert wird. Dennoch sträuben Sie sich dagegen.

Bleiben wir bei Sandl. Der langjährige grüne Energielandesrat Rudi Anschober hat es 2012 im Masterplan Windkraft rechtsunverbindlich in einer Ausschlusszone verortet. Warum? Weil auch damals auf Basis der Expertise der Fachabteilung der Plan erstellt wurde. Und Anschober hat diese Flächen trotz guten Windaufkommens für tabu erklärt. Bei Sandl besteht das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas – übergreifend von Tschechien über Ober- nach Niederösterreich. Das sei schützenswert, und das sah auch Anschober so. Es gibt Naturschutz- und Landschaftsinteressen, die zu schützen sind. Das ist so wie in Hainburg. Als Wirtschaftslandesrat muss man für einen Kraftwerksbau sein, als Energielandesrat auch, aber auch aus Sicht des Naturschutzes und der Raumordnung ist das Interesse hier ein höheres.

Bei Ohlsdorf hat das wirtschaftliche Interesse überwogen.

Dort gab es schon ein Betriebsbaugebiet. Der Naturschutz neben der Autobahn ist mit jenem im größten zusammenhängenden Waldgebiet Mitteleuropas nicht vergleichbar.

Die Wirtschaftskammer, die vom VP-Wirtschaftsbund dominiert wird und in dessen Führungsgremien Sie sitzen, ist für den Windpark Sandl. Wer ist nun stärker: Sie oder Sie?

Ich habe eine klare Funktion als Wirtschafts- und Raumordnungslandesrat. Und es ist abzuwägen, welches Interesse an welchem Standort überwiegt. Unterm Strich gibt es mehr Projekte, die realisiert werden, als umgekehrt.
Aber wenn damit argumentiert wird, dass in Sandl möglicherweise Elche vorkommen, die schützenswert sind, ist das absurd. Dort gibt es keine Elche.

Hier wurde aus der Begründung einer von 18 Schutzgründen herausgepickt. Insgesamt überwiegt der Naturschutzgedanke.

Auch im Mühlviertel ist eine umstrittene 110-kV-Leitung als Freileitung geplant, gegen die sich auch prominente VPler wie Reinhold Mitterlehner aussprechen. Das UVP-Verfahren wird von den Erdkabelbefürwortern als unfair empfunden.
Aufgrund persönlicher Lebenslagen kann jeder seine Meinung haben. Die Netz OÖ und die Linz Netz haben jenes Projekt eingereicht, das laut Gutachten eine doppelt so lange Lebensdauer hat und nur ein Drittel bis ein Viertel der Kosten verursacht.

Wie geht’s aus?

Wenn das Projekt genehmigungsfähig ist, wird es genehmigt. Nachdem diese Anlagen in Österreich immer gleich gebaut werden, gehe ich davon aus, dass das Projekt genehmigt wird.

„In Ohlsdorf gab es schon ein Betriebsbaugebiet neben der Autobahn. Das ist mit dem größten zusammenhängenden Waldgebiet Mitteleuropas nicht vergleichbar.“

von Markus Achleitner, Landesrat

Oberösterreichische Nachrichten