
Überzogene Erwartungen wurden korrigiert. Inzwischen sind die Technologien ausgereift und setzen sich durch – auch in den USA.
Krieg in Europa, Klimarückschritte in den USA, die Handelsbarrieren steigen, Lieferketten brechen zusammen: Auf den ersten Blick scheint gerade nicht der richtige Moment zu sein, um auf Lösungen für ein besseres Klima zu setzen. Aber für einen Investor ist es das bislang deutlichste Signal, auf Klimatechnologien zu setzen. Nicht wegen einer utopischen Vision, sondern weil diese Technologien inhärente Qualitäten haben, die die größten Herausforderungen unserer Zeit direkt angehen – von der Inflation bis zur strategischen Autonomie. Diese Technologien werden das Rückgrat von Europas künftiger Wirtschaft bilden, und die Argumente für Investitionen in Klimatechnologien waren noch nie so stark wie heute.
Ja, die Art, wie über Klimatech gesprochen wird, mag sich ändern. Aber die Fundamentaldaten ändern sich nicht. Die Kosten für Solar- und Windenergie sind in den vergangenen zehn Jahren um fast 90 Prozent gesunken. Erneuerbare Energien sind heute die billigste neue Energiequelle auf dem Planeten. Selbst in einer Welt ohne unterstützende Politik werden sie bis 2050 voraussichtlich 70 Prozent der weltweiten Energie liefern. Und in den USA – einer Supermacht der fossilen Brennstoffe – waren 80 Prozent aller Stromkapazitäten, die in den letzten drei Jahren neu hinzukamen, Erneuerbare.
Diese stille Energierevolution löst eine mächtige Kettenreaktion aus: Mehr erneuerbare Energien führen zu billigerem Strom, was die Elektrifizierung von Verkehr, Industrie und Haushalten vorantreibt. Das wiederum erhöht die Nachfrage nach Energiespeichern und Netzinnovationen. Das Ergebnis ist ein sich gegenseitig verstärkender Kreislauf, der ganze Volkswirtschaften umgestalten könnte. Ja, die Politik mag dazu beigetragen haben, dass Klimatechnologien auf den Weg gebracht wurden. Aber jetzt sind es die Kräfte des Marktes, die die Hauptlast tragen.
Bei der fossilen Nostalgie der Trump-Administration geht es um Politik, nicht um Wirtschaft. Und Anleger, die dem folgen, riskieren, eine der attraktivsten Wachstumsgeschichten unserer Zeit zu verpassen.
Auf der anderen Seite des Pazifiks gibt China Vollgas bei der Stromerzeugung. Das Land hat allein im Jahr 2024 940 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investiert. Das ist fast genauso viel wie die weltweiten Investitionen in fossile Brennstoffe. Da 40 Prozent des chinesischen BIP-Wachstums aus den Bereichen saubere Energien stammen, verdoppelt China seine Investitionen in Solar- und Windenergie sowie in Elektrofahrzeuge. Ob es bestimmten Politikern nun gefällt oder nicht, die Energiewende hat ein Eigenleben.
Europa ist da keine Ausnahme. Unsere Lage ist sogar noch klarer: Wir haben keine fossilen Brennstoffe, auf die wir zurückgreifen können, also ist saubere Innovation nicht optional.
Als die geopolitischen Erschütterungen deutlich machten, dass Europa seine Zukunft selbst gestalten muss, hat die EU-Führung die erneuerbaren Energien in den Mittelpunkt der industriellen Strategie des Kontinents gestellt. Die Botschaft ist klar: Die künftige Wettbewerbsfähigkeit wird auf Technologien aufgebaut, die eine bessere Zukunft gestalten. Und Deutschlands Start-up-Ökosystem spielt eine führende Rolle beim Aufbau dieser Technologien.
Natürlich verlief der Weg nicht linear. Jede bahnbrechende Branche folgt dem Hype-Zyklus – erst überhöhte Erwartungen, dann eine scharfe Korrektur. Die Klimatechnologie bildet da keine Ausnahme. Aber wenn die Technologien ausgereift sind und sich durchsetzen, kehrt der Schwung zurück. Und genau das erleben wir jetzt. In den USA, die beim Risikokapital immer noch weltweit führend sind, sind die Finanzierungen für Klima-Start-ups drei Quartale in Folge gestiegen. In Deutschland haben die privaten Investitionen in Energieprojekte Anfang 2025 an Fahrt aufgenommen. Und das neue 100-Milliarden-Euro-Klimapaket der Regierung zur Umgestaltung des Energiesystems signalisiert einen der ehrgeizigsten Wandel weltweit.
Der Trend ist eindeutig. Weltweit sind die Investitionen in saubere Energie inzwischen doppelt so hoch wie die in fossile Brennstoffe, und der Abstand wird immer größer. Es ist leicht zu erkennen, warum. Die Unternehmen im Klimatech-Sektor gehen nicht mehr nur den Klimawandel an. Sie sind auf die drängendsten Probleme der heutigen Zeit ausgerichtet: Inflation, Energieunsicherheit, fragile Lieferketten und die wachsende Nachfrage nach strategischer Autonomie.
Ihre effiziente Nutzung von Ressourcen macht sie zu einer klugen finanziellen Wahl in einer Welt, in der das Kapital knapp ist. Ihre Kreislaufmodelle verringern die Abhängigkeit von globalen Lieferketten und ermöglichen strategische Autonomie. Und durch die Nutzung von Präzisionstechnologien und Künstlicher Intelligenz sind sie in der Lage, mit weitaus weniger Aufwand mehr zu erreichen.
Für Anleger ist dies eine entscheidende Investitionsmöglichkeit. Diejenigen, die sich vom Lärm abschrecken lassen, laufen Gefahr, einige der attraktivsten Renditen dieses Jahrzehnts zu verpassen. Wenn wir die Gewinner der nächsten Wirtschaft unterstützen, können wir die sogenannte utopische Vision vielleicht Wirklichkeit werden lassen.
ZITATE FAKTEN MEINUNGEN
Die Autorin Tove Larsson ist General Partner bei Norrsken VC, einem Risikokapitalgeber für nachhaltige Investitionen.
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zur TECH by Handelsblatt, die vom 25. bis 27. Mai in Heilbronn stattfindet. Führende Köpfe aus Start-ups, Wagniskapitalbranche und Wissenschaft geben darin Impulse für die technologische Zukunft Europas.
Von Tove Larsson
Handelsblatt