
Auf über 60 Milliarden Euro werden die notwendigen Investitionen in Stromerzeugung und-netze bis 2030 geschätzt. Welche Großprojekte Österreichs Energiekonzerne schon jetzt umsetzen.
Hundert Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 und Klimaneutralität bis 2040 –das sind die ambitionierten heimischen Klimaziele. Um diese zu erreichen, „muss Österreich bis 2030 mehr als 60 Milliarden Euro in die Netzinfrastruktur und in den Ausbau der Erneuerbaren investieren“, erklärt Leonhard Schitter, CEO der oberösterreichischen Energie AG. „Das ist das größte Infrastrukturprojekt in der Zweiten Republik.“
Die Energie AG ist ein gutes Beispiel dafür, wie stark die Erzeugung von grünem Strom in relativer kurzer Zeit gesteigert werden soll. Aktuell produziert man pro Jahr rund 2,5 Terawattstunden aus erneuerbaren Quellen. Bis 2035 sollen 1,2 Terawattstunden Erzeugungskapazität dazukommen. Zwei Milliarden Euro will die Energie AG dafür investieren und weitere zwei Milliarden für den Ausbau der Stromnetze. Schitter: „Damit die Energiewende gelingt, müssen nicht nur Erzeugung und Verteilung von Strom ausgebaut werden, auch der Speicherung kommt enorme Bedeutung zu. Ein Leuchtturmprojekt ist hier das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee im Salzkammergut.“ Für das Kraftwerk wird ein Speichersee hoch über dem Traunsee errichtet. Durch einen Druckstollen schießt das Wasser über eine Fallhöhe von fast 500 Metern durch den Berg zu den Turbinen. Mit überschüssigem Strom kann Wasser aus dem Traunsee wieder den Berg hinauf in den Speicher gepumpt werden. Mit einem Speicherinhalt von 1,32 Millionen Kubikmetern wird das Kraftwerk über eine Leistung von rund 170 Megawatt (MW) verfügen. Es soll 2028 in Betrieb gehen und ist mit mehr als 450 Millionen Euro die größte Einzelinvestition in der Unternehmensgeschichte.
Energie Steiermark verdoppelt Erzeugung
Auch die Energie Steiermark will ihr Engagement bei erneuerbaren Energien ausbauen, so die beiden Vorstände Martin Graf und Werner Ressi: „Unser Ziel ist es, unser Erzeugungsportfolio aus Windkraft, Photovoltaik (PV) und Wasserkraft in der Steiermark bis 2030 auf über 600 Megawatt zu erhöhen.“ Das entspricht einer Verdoppelung der aktuell installierten oder in Bau befindlichen Erneuerbaren-Erzeugung der Energie Steiermark. Das größte Projekt ist die Errichtung von 15 Windrädern auf der Freiländeralm, in das rund 160 Milli -onen Euro fließen und das künftig 55.000 Haushalte versorgen kann.
Insgesamt hat die Energie Steiermark bis 2035 ein Investment von 5,5 Milliarden Euro für grüne Energie, Netzinfrastruktur sowie Dekarbonisierung vorgesehen.
In Kärnten will der Kelag-Konzern den Umbau des Energiesystems mit einem Investitionsprogramm von rund 3,8 Milliarden Euro bis zum Jahr 2034 vorantreiben. Noch heuer wird der Wiederaufbau des vom Unwetter 2022 zerstörten Kraftwerks Arriach abgeschlossen sein. Das Wasser -kraftwerk im Gegendtal wird dann 1.800 Haushalte mit Strom versorgen. Zu den weiteren Großprojekten gehören die Erneuerung des 110-kV-Netzes in Mittelkärnten und der Windpark Lavamünd mit sieben Windkraftanlagen und einer Gesamtleistung von rund 40 MW. Seit Herbst 2024 in Betrieb ist die erste Agri-PV-Anlage der Kelag in Bleiburg. Auf mehr als 9.000 Quadratmetern wird Strom für rund 600 Haushalte erzeugt, gleichzeitig dient die Fläche als Weide für rund 30 Schafe.
Niederösterreich erhöht „Ambitionsniveau“
In Niederösterreich hat die EVN Anfang Mai ihr „Ambitionsniveau im Klimaschutz noch einmal deutlich erhöht“, so der Vorstandssprecher Stefan Szyszkowitz in einer Aussendung: „Wir sind stolz, dass wir nun zum Kreis jener 75 europäischen Unternehmen der Energiewirtschaft zählen, die sich ein wissenschaftsbasiertes und verifiziertes 1,5-°C-Ziel gesetzt haben.“
Um das zu erreichen, will die EVN die eigenen Erneuerbare-Erzeugungskapazitäten konsequent ausbauen. Unter anderem soll die installierte Windkraftleistung bis 2030 von derzeit 500 auf 770 MW steigen. Im März 2025 wurde mit dem Bau des Windparks Gnadendorf-Stronsdorf be -gonnen. Die insgesamt sieben Windräder mit einer Gesamtleistung von 28,8 MW sollen bereits ab Ende des Jahres rund 26.000 Haushalte mit Ökostrom versorgen.
Burgenland kombiniert Landwirtschaft und PV Österreichs größtes Wind- und Photovoltaik-Unternehmen ist Burgenland Energie. Das im März 2025 vorgestellte „Projekt Tomorrow“ umfasst zusätzliche Kapazitäten von rund 2.000 MW und soll das Burgenland als eine der ersten Regionen der Welt bis 2030 bilanziell klimaneutral und energieunabhängig machen. Dazu werden in einer ersten Tranche 700 Millionen Euro bis Ende 2026 investiert. Unterstützt wird Burgenland Energie dabei auch von der Europäischen Inves -titionsbank. Stephan Sharma, CEO Burgenland Energie: „Wir werden von Nord- bis Südburgenland rund 40 Wind- und Photovoltaikprojekte in einer einzigartigen und innovativen Form als Wind-und-PV-Hybrid-Parks mit Landwirtschaft und Bürgerbeteiligung umsetzen. So nutzen wir nicht nur bestehende Flächen, sondern auch bestehende Netzanschlüsse intelligent mehrfach.“
Bereits im Bau ist die Agri-PV-Anlage in Tadten-Wallern, die mit über 160 MW Leistung auf einer land -wirtschaftlich genutzten Fläche von 180 Hektar eines der größten Agri-PV-Wind-Projekte Europas ist. Die PV-Pa-neele sind nicht wie bei konventionellen Anlagen starr, sondern beweglich und folgen der Sonne. Mit dieser Innovation kann gegenüber herkömmlichen PV-Anlagen auf der gleichen Fläche eine um zehn Prozent höhere Stromproduktion erzielt werden. Zwischen und unter den Modulreihen kann weiterhin Biolandwirtschaft betrieben werden. „Wir ernten Kichererbsen und Kartoffeln unter und zwischen den Modulreihen. Zudem kombinieren wir das Projekt auch mit dem aktuell größten österreichischen Windpark in Andau in Form eines Hybridparks“, so Sharma.
Wien Energie verdoppelt Windkraft
Im Burgenland ist auch Wien Energie aktiv, wenn es um den Ausbau der Windkraft geht. Anfang des Jahres übernahmen die Wiener in Mönchhof nahe dem Neusiedler See ihren bisher größten, 52 MW starken Windpark, der jährlich Strom für umgerechnet 32.000 österreichische Durchschnittshaushalte produziert. Schon Anfang 2026 wird der Windpark Mönchhof aber vom nächsten Zukauf der Wiener überholt werden. Da geht das 62 MW starke Windkraftwerk im niederösterreichischen Loidesthal in Betrieb. Mit beiden Windparks steigert Wien Energie ihre Stromerzeugung aus Windkraft um über 50 Prozent. Dann kann Windstrom für umgerechnet rund 200.000 österreichische Haushalte erzeugt werden.
In der Hauptstadt selbst setzen die Wiener vor allem auf den Ausbau der Sonnenenergie. Eine der neuen PV-Anlagen sorgt dafür, dass der beliebte Karmelitermarkt im zweiten Bezirk seit letztem Jahr der erste energieautarke Markt Europas ist. Möglich macht das eine PV-Anlage, die aus 44 Modulen besteht und an die ein Stromaggregat angeschlossen werden kann.
Insgesamt umfasst das Ökostrom-Portfolio von Wien Energie 480 PV-Anlagen mit 200 MW Leistung, 106 Windkraftanlagen sowie 25 Wasserkraftwerke im Inland und 50 weitere im Ausland. Bis 2030 will Wien Energie Ökostrom mit über 1.000 MW Leistung erzeugen.
Verbund baut Kraftwerksgruppe Kaprun aus
Mit einer Gesamtleistung von 8.400 MW ist Verbund einer der größten Erzeuger von Strom aus Wasserkraft – in Europa. Immer wichtiger werden dabei Pumpspeicherkraftwerke, die als Speicher für überschüssige Energie dienen. 2025 gehen Limberg III und Reißeck 2 plus mit in Summe über 500 MW zusätzlicher Leistung ans Netz. Beide Kraftwerke sind Teil von „Kaprun 2029“, das die notwendige Modernisierung und Erweiterung der Kraftwerksgruppe Kaprun umfasst und insgesamt Investitionen von fast einer Milliarde Euro vorsieht. Dazu gehört auch das Pumpspeicherkraftwerk Schaufelberg, das wie Limberg II und III großteils unterirdisch errichtet werden soll und „die grüne Batterie im Herzen Österreichs nochmals stärken“ wird, so Verbund-CEO Michael Strugl. „Bis 2040 wird sich der Stromverbrauch in Österreich verdoppeln. Dafür muss die Erzeugungskapazität fast verdreifacht werden.“
Darüber hinaus will Verbund bis 2030 ein Viertel seiner Gesamterzeugung aus PV und Windkraft erzielen. Dazu wurden unter anderem in Spanien ein Solarpark und ein Windkraftwerk in Betrieb genommen sowie in Italien ein Photovoltaikportfolio erworben. Insgesamt investiert Verbund in den kommenden drei Jahren rund 5,9 Milliarden Euro in die grüne Transformation, davon in Österreich jedes Jahr über eine Milliarde Euro.
AGP stärkt Netz mit neun Milliarden
Um den überschüssigen Strom, der vor allem von Sonnen- und Windkraftwerken im Osten Österreichs erzeugt wird, zu den Pumpspeicherkraftwerken im Westen zu bringen, braucht es leistungsfähige Stromnetze. Für das österreichweite Hochspannungsnetz ist Austrian Power Grid (APG) verantwortlich. „Ohne verstärktes Netz kann ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern nicht gelingen, und auch der steigende Strombedarf, beispielsweise für Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen oder die zunehmende Digitalisierung, ist nicht abzudecken“, heißt es von APG. Insgesamt wird das Unternehmen bis 2034 rund neun Milliarden Euro in das heimische Netz investieren, das sich auf einer Trassenlänge von etwa 3.400 Kilometer erstreckt.
Anfang April wurden die Vorarbeiten zur „Netzverstärkung Ost“ gestartet, die auf einer Länge von 60 Kilometern den Um- und Neubau einer 380-kV-Freileitung zwischen Trumau in Niederösterreich und Zurndorf im Burgenland vorsieht. Vor der geplanten Inbetriebnahme 2032 muss für das Projekt, das im aktuellen Netzinfrastrukturplan ÖNIP verankert ist, aber noch ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren durchgeführt werden.
Gewinn