Die Regierung will Staatsbetriebe anzapfen, um Hunderte Millionen Euro für eine Senkung der Energiepreise zu finanzieren. Wo liegen die versprochenen Summen und wie finden sie zu den Menschen?
Seit zwei Wochen hat die Koalition ein neues Lieblingsthema gefunden. Gefühlt an jedem zweiten Tag verkündet ein anderes Regierungsmitglied neue Ideen, wie der Bund die Energiekosten für Haushalte und Unternehmen senken wird. Erst wurde das Elektrizitätswirtschaftsgesetz ohne erkennbaren Grund in „Günstiger-Strom-Gesetz“ umbenannt, dann der nicht ausverhandelte „Zehn-Cent-Strompreis“ in Krisenzeiten hinausposaunt.
Am Mittwochabend setzte Kanzler Christian Stocker – frisch aus dem Krankenstand – noch eines drauf: 500 Millionen Euro will er finden lassen, um die Energiekosten im kommenden Jahr spürbar zu senken. Außerhalb des strapazierten Bundesbudgets, versteht sich. „Die Presse“ sieht sich an, woher die Millionen kommen und wie sie letztlich verteilt werden könnten.
1 Woher soll die halbe Milliarde für billigeren Strom kommen?
Einfacher ist die Antwort auf die Frage, woher das Geld sicher nicht kommen wird. Die umstrittenen Netznutzungsentgelte für Stromerzeuger, die mit dem ElWG eingeführt werden sollen, können den Topf jedenfalls nicht füllen. Legt der Regulator die Gebühren tatsächlich bei 0,5 Euro je Megawattstunde an, wie es eine EU-Verordnung nahelegt, erschwert das zwar die Finanzierung neuer Kraftwerke gewaltig, spielt unter dem Strich aber keine nennenswerten Beträge ein. Eine Solaranlage mit einer Maximalleistung von zwanzig Kilowatt würde im Jahr nur eine Handvoll Euro bezahlen. In Summe kann die Regierung in diesem Szenario mit rund 30 Millionen Euro rechnen – und die sind ja schon für die Senkung der Netzkosten verplant.
Kanzler Christian Stocker selbst gab einen Hinweis darauf, dass das Geld von den Beteiligungsunternehmen der Republik stammen könnte. Unter dem Dach der Staatsholding Öbag finden sich auch OMV und Verbund. Das zuständige Wirtschaftsministerium bestätigt Pläne, einen Teil der 500 Millionen Euro über „Rücklagen und Beteiligungserträge“ der Öbag-Unternehmen aufbringen zu wollen. Zudem gibt es noch neun Landesenergieversorger, die ebenfalls zur Kasse gebeten werden könnten.
2 Wie viel Geld haben die Unternehmen auf der hohen Kante?
Die Unternehmen haben zuletzt gut verdient. Das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut hat errechnet, dass Verbund, OMV und die neun Landesversorger von 2022 bis 2024 rund 21,5 Milliarden Euro Gewinn verbucht haben. 562 Millionen Euro davon wurden über den Energiekrisenbeitrag abgeschöpft. Koalitionsintern sei vor allem der Verbund in den Fokus gerückt, heißt es aus Verhandlerkreisen. Das Unternehmen steht zu 51 Prozent im Eigentum der Republik. Weitere 34 Prozent sind über EVN, Tiwag, Wien Energie und Wiener Stadtwerke ebenfalls in öffentlicher Hand.
Im Vorjahr lieferte der Konzern Dividenden, Steuern und Abgaben in der Höhe von über einer Milliarde Euro an den Bund ab. „Jeden Euro, der uns bleibt, investieren wir in die Energiewende in Österreich“, erklärt Verbund-Chef Michael Strugl regelmäßig. Der Eigenkapitalpuffer ist dennoch seit 2020 von 6,8 auf elf Milliarden Euro angewachsen. Ein guter Teil davon ist gebunden in Kraftwerksprojekten, knapp 950 Millionen Euro sind als Kapitalrücklage ausgewiesen. Die OMV sitzt auf 24 Milliarden Euro an Reserven, die aber wohl schwerer anzuzapfen sind.
3 Wie kann die Regierung das Geld herausholen?
Eine Variante ist eine sogenannte Eigenkapitalherabsetzung, die von 75 Prozent der Aktionäre beschlossen werden müsste. Das ist beim Verbund einfacher als bei der OMV, wo der Staat nur noch 31,5 Prozent der Anteile besitzt. 24,9 Prozent hält der Syndikatspartner Adnoc aus den Emiraten. Der Rest ist im Streubesitz. Auch die Wiedereinführung von Sonderdividenden könnte beträchtliche Mittel an den Bund fließen lassen. Profitieren würden davon allerdings auch alle anderen Anteilseigner.
4 Wie soll das Geld letztlich bei den Haushalten landen?
Eine Möglichkeit ist die Wiedereinführung der Strompreisbremse auch außerhalb von Krisenzeiten. Das Instrument wurde von E-Control und Energieagentur aber bereits kritisch zerpflückt, hat maßgeblich zur hohen Inflation im heurigen Jahr beigetragen und wurde von Versorgern missbraucht, um die Preise künstlich hoch zu halten. Ein Preisdeckel sei „die denkbar schlechteste Antwort, die nichts löst und eine ganze Reihe an Problemen mit sich bringt“, warnt die Ökonomin Monika Köppl-Turyna im Gespräch mit der „Presse“ vor derartigen Markteingriffen.
Eine Alternative wäre, die Steuern und Abgaben auf Energie auf das EU-Minimum zu senken, wie es viele andere EU-Staaten tun. Die Ökostromkosten wurden für 2026 bereits gesenkt. Auch bei den Netzkosten hat die Regierung über die Auflösung von Regulierungskonten für eine Dämpfung des Anstiegs gesorgt. Die Energieabgabe steht aktuell unverändert bei 1,5 Cent je Kilowattstunde und könnte gesenkt werden.
Von Matthias Auer
Die Presse




