Eine Flut an LNG aus den USA drückt den Gaspreis in Europa auf das Niveau vor der Krise. Doch das wird nicht ewig so bleiben. Was Haushalte tun müssen, um zu profitieren.
Am vergangenen Wochenende sind viele Österreicher zum ersten Mal in der Saison wieder auf Skiern gestanden. Der frühe Schneefall im November hat auch vielen kleinen Skigebieten im Osten des Landes weiße Pisten beschert. Während dieser gefühlte Winterbeginn in den vergangenen Jahren verlässlich von Sorgen vor Gasmangel und hohen Energiepreisen begleitet worden ist, sieht heute alles anders aus.
In den vergangenen Wochen ist der Preis für Erdgas an der für Europa relevanten Börse in den Niederlanden (TTF) konstant auf gut 27 Euro je Megawattstunde gefallen und liegt damit wieder so niedrig wie im Sommer 2021 – kurz vor Ausbruch der Energiepreiskrise. Allein heuer hat sich der Gaspreis in Europa damit schon fast halbiert. Im Vergleich mit den Rekordständen von 2022 beträgt das Minus über 90 Prozent. Warum ist das so – und wie lang kann es so bleiben?
Gaspreis in den USA steigt stark
Die viel gelobte Speicherhaltung der Europäer trägt nur einen kleinen Teil zur Erleichterung im Großhandel bei. Die Gasspeicher sind mit rund 72 Prozent in der EU schwächer gefüllt als im Schnitt der fünf Jahre zuvor. Österreich liegt bei einem Füllstand von 74,4 Prozent. Erneute Spekulationen über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs nehmen ebenfalls Druck aus dem Markt. Aber fragt man Analysten, sehen die vor allem einen Grund für den Preissturz: die Ausweitung amerikanischer Flüssiggaslieferungen (LNG) in die EU. Im ersten Halbjahr hat die Union 72 Prozent der gesamten US-LNG-Exporte aufgesaugt, zählt der Datendienstleister Kpler. Mehr als die Hälfte aller Flüssiggasimporte in die EU kommen mittlerweile aus den USA. Und da die Nachfrage in Asien gering ist, sinken die Preise eben.
Doch dass die Vereinigten Staaten so viel tiefgekühltes Erdgas nach Europa verschiffen, sorgt auch für Probleme – vor allem in Amerika selbst. Dort wird der Brennstoff nämlich trotz einer Rekordproduktion der amerikanischen Erzeuger knapp, berichtet das „Wall Street Journal“. Der Wintereinbruch in manchen Regionen der USA habe dafür gesorgt, dass die Gaspreise für amerikanische Haushalte zuletzt auf den höchsten Wert seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs gestiegen sind.
Für Europa stellt sich die Frage, wie lang dieses Problem ein amerikanisches bleiben wird. Muss die EU damit rechnen, dass die Preiserhöhungen auch ihren Weg über den Atlantik finden? Die Transportkosten für den verflüssigten Brennstoff sind jedenfalls schon einmal deutlich gestiegen, seitdem die EU sich jüngst auf ein fixes Ausstiegsdatum aus allen russischen Gaslieferungen geeinigt hat, zeigen Schiffsverfolgungsdaten sowie Zahlen der Preisagentur Spark Commodities. Die Analysten von Kpler und Goldman Sachs beruhigen dennoch: Europa sei weniger abhängig von den USA, als es den Anschein mache. Fast zwei Drittel seines Gasbedarfs deckt die EU heuer nicht aus LNG-Lieferungen, sondern über eigene Produktion und Pipelineimporte. Norwegen bleibt der wichtigste Lieferant. Und auch die Umstellung auf Flüssiggas macht die EU flexibler. Denn die USA sind bei Weitem nicht der einzige Anbieter.
Was Europa flexibler macht
Hier hilft dem Kontinent auch die umstrittene Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes. Katar, einer der drei größten LNG-Lieferanten für Europa, hat in den vergangenen Monaten wiederholt angedroht, die Gaslieferungen einzustellen, wenn die Vorgaben aus dem EU-Lieferkettengesetz nicht erleichtert würden. Genau das ist nun passiert, womit Brüssel auch den Weg für alternative LNG-Lieferanten freigemacht hat.
Eine Garantie auf dauerhaft niedrige Preise gibt es deshalb aber noch lang nicht, warnen Experten. Der Gaspreis ist immer auch stark von saisonalen Wetterbedingungen abhängig, ein unerwartet kalter Winter in Teilen Europas, aber auch ein plötzliches Anziehen der LNG-Nachfrage in China oder eine erneute Eskalation in der Ukraine könnten ausreichen, um die Preise wieder in die Höhe zu schicken.
Guter Moment für Wechsel
Was bedeutet all das für österreichische Haushalte, die mit Erdgas kochen oder heizen? Ob sie bereits von den niedrigen Börsenpreisen profitieren, hängt stark davon ab, welchen Vertrag sie abgeschlossen haben. Bei den klassischen Modellen für Haushaltskunden sind die Preise oft auf zumindest ein Jahr fixiert und werden auch dann nur mit einer beträchtlichen Verzögerung an die Börsenpreise angepasst.
Das bietet Stabilität, ist in Phasen mit niedrigen Börsenpreisen aber meist die teurere Variante. Wer einen flexiblen Tarif gewählt hat, der monatlich oder auch in kürzeren Intervallen angepasst wird, sollte von den Vorteilen der günstigen Großhandelspreise bereits profitieren. In beiden Fällen lohnt der Blick in den Tarifkalkulator der E-Control oder auf andere Vergleichsplattformen, um günstigere Anbieter zu finden. Der Moment für einen Wechsel ist gut. Haushalte sollten ihn nützen, solang die Preise niedrig sind.
Von Matthias Auer
Die Presse


