Industrie sieht sich in der Strompreisfalle

11. Dezember 2025, Wien

Für Haushalte und Betriebe wird an einer Abgabensenkung auf Energie gefeilt. Die energieintensiven Unternehmen schauen durch die Finger. Vorerst.


Haushalten und Gewerbebetrieben winkt nächstes Jahr eine kleine Entlastung bei den Energiekosten. Die Regierung holt sich dazu rund eine halbe Milliarde Euro aus Sonderdividenden von Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Mit dem Geld wird voraussichtlich die Abgabenlast auf der Stromrechnung etwas reduziert werden. Einmalig und budgetneutral, wie die Regierung betont, jedenfalls aber mit positiven Auswirkungen auf die Inflation 2026, die in Kombination mit statistischen Basiseffekten deutlich sinken sollte.


Die heimische Industrie hält sich mit öffentlichen Kommentaren zum geplanten neuen Energiekostendämpfer zurück. Die Elektrizitätsabgabe von 0,015 Cent pro Kilowattstunde (kWh) erhalten Großbetriebe schon jetzt zurück. Im Hintergrund heißt es aber, die 500 Mill. Euro wären besser in energieintensiven Sektoren eingesetzt, die jetzt schon mit im Vergleich hohen Energiekosten zu kämpfen haben. Und die jetzt neue Probleme durch den geplanten deutschen Industriestrompreis befürchten.


Deutschland will für fast 100 Wirtschaftszweige, die ins Ausland abzuwandern drohen, auch weil die Energiekosten etwa in den USA oder in China nur halb so hoch sind, den Strompreis senken. Für die betroffenen Branchen, darunter die chemische und die Metallindustrie, die Glas- und Keramikherstellung, die Zementindustrie oder die Leiterplattenproduktion, soll der Strompreis für die Hälfte des Verbrauchs auf bis zu fünf Cent pro kWh reduziert werden.


2024 zahlten Großverbraucher inklusive Netzkosten sowie Steuern und Abgaben im Durchschnitt 14 bis 15 Cent pro kWh. Die mittlerweile mit der EU akkordierte Subvention soll auf drei Jahre – von 2026 bis 2028 – begrenzt sein, die Auszahlung erfolgt jeweils im Folgejahr. Insgesamt rechnet Berlin mit Kosten von 3,1 Mrd. Euro, wobei 1,5 Mrd. Euro auf das Haushaltsjahr 2027 entfallen dürften und je 800 Mill. auf 2028 und 2029.


Von Auftragsverlagerungen bis zu Werkschließungen


Noch fehlt die gesetzliche Basis für den Industriestrompreis. Beobachter zweifeln aber nicht an der Umsetzung. Es sei ein wesentlicher Punkt im deutschen Koalitionsprogramm, heißt es, außerdem gebe es die Mittel dafür. Nach Berechnungen der E-Control würden österreichische Großunternehmen dann um bis zu zwei Cent pro kWh mehr für Strom zahlen als die deutsche Konkurrenz, die schon jetzt von strukturell geringeren Großhandelspreisen profitiert. Die Folge wäre wohl eine Verlagerung von Aufträgen in Werke in Deutschland, sofern es solche im Konzernverbund gibt – und in letzter Konsequenz sogar Werkschließungen.


Die heimische Industrie sieht den Vorstoß beim wichtigsten Handelspartner trotzdem gespalten. „Deutschland ist die Lokomotive“, sagt ein Unternehmensvertreter, der nicht genannt werden will. Daher sei alles, was dazu beitrage, die schwächelnde Wirtschaft beim großen Nachbarn anzukurbeln, positiv zu bewerten. Zugleich sind deutsche Unternehmen aber eben auch Konkurrenten. Österreich sollte den deutschen Industriestrompreis nachbilden. Dieter Drexel, Industriellenvereinigung Österreich sollte ein ähnliches Modell entwickeln, fordert Dieter Drexel, Energieexperte in der Industriellenvereinigung (IV). Die Priorität der IV ist aber, die Stromkostenkompensation – wie in etlichen EU-Ländern – bis 2030 zu verlängern und auszuweiten. Für 2025 und 2026 werden die indirekten CO2 -Kosten auf Strom wieder rückerstattet. Mit 75 Mill. Euro pro Jahr gibt es aber deutlich weniger als die 185 Mill. Euro, die 2022 an 44 Unternehmen erstattet wurden – und weniger als etwa in Deutschland. Die Firmen erfahren erst Ende 2026, wie viel sie bekommen.


„Wenn man schon Maßnahmen mit der Gießkanne für günstigere Energie macht, sollte man sich eher weiter den Netzkosten zuwenden“, empfiehlt Drexel. In dem Fall müssten die Versorger an der Tarifschraube drehen.
Die Politik hat sich zu den deutschen Plänen bisher nicht direkt geäußert. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer sagte der „Presse“, wenn Österreich Arbeitsplätze, Wohlstand und den Sozialstaat sichern wolle, müsse die drohende Deindustrialisierung gestoppt und es müssten wettbewerbsfähige Energiepreise gewährleistet werden. Bisher gilt in der Koalition aber: keine neuen Belastungen für das klamme Budget. Die Wirtschaft hat die Hoffnung in der schwierigen Lage aber noch nicht aufgegeben: „Wir warten schon auf ein Maßnahmenpaket“, heißt es – aber erst nächstes Jahr.

Monika Graf

Salzburger Nachrichten