Das „Günstiger-Strom-Gesetz“ soll Haushalte und Betriebe bei den Energiekosten entlasten. Experten melden daran Zweifel an.
Das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) oder Günstiger-Strom-Gesetz, wie es die Regierung nennt, ist nach dem Beschluss im Parlament nun tatsächlich in Kraft. Ob es sich ab nächstem Jahr auf die Stromkosten auswirkt und wenn ja, wie, das hat ganz aktuell der Energieconsulter E-Venture mit Sitz in Berlin analysiert. Die Erkenntnisse sind aber eher ernüchternd.
Bei den Netzkosten wird sich mit dem neuen Regelwerk längerfristig der Anstieg etwas bremsen lassen, konstatiert E-Venture-Chef Florian Haslauer. Eigentlich notwendige Schritte, um die Kosten des Stromtransports einzudämmen, gerechter zu verteilen und das System insgesamt stabil zu halten, werden aber nicht gesetzt, so sein Befund.
Die Erlaubnis für Spitzenkappung bei neuen Photovoltaik- bzw. Windkraftanlagen werde den Investitionsbedarf in die Verteilnetze minimal reduzieren, und das nur sehr langfristig. Indes erspare der einfachere Stromaustausch in Energiegemeinschaften bzw. mit Nachbarn und Freunden zwar jenen Verbrauchern Netzgebühren, die diese Möglichkeiten nützen. Für alle anderen werden sie aber teurer, weil die vorhandenen Kosten auf weniger Netznutzer und Kilowattstunden verteilt werden. Bis 2030 rechnet E-Venture mit einem weiteren Anstieg der Netzentgelte der Haushalte um 40 Prozent.
„Das muss kommen und wird kommen“
Haslauer hält daher die seit Langem angedachte grundlegende Reform der Netztarife für unumgänglich. Ähnlich wie bei Internetanschlüssen müsse statt des Verbrauchs die Leistungskomponente in den Vordergrund rücken und es sollten Flatrates gelten. „Das muss und wird kommen.“ In Deutschland sei die Diskussion schon weiter. „Warum sie hier nicht geführt wird, ist mir schleierhaft“, sagt der gebürtige Salzburger. Eine solche tiefgreifende Änderung werde ohnehin nur schrittweise gehen, würde aber viele Probleme aus der Welt schaffen, sagt der Energieexperte.Die Debatte über Einspeisnetzgebühren war unnötig. E-Venture-Chef Florian Haslauer Die Debatte über Netzgebühren für Einspeiser, von denen im Gesetz ohnehin kaum etwas geblieben sei, war aus seiner Sicht „unnötig und sinnlos“. Notwendig sei eine „marktnahe“ Lösung: Die tatsächlichen Marktpreise für Strom müssten an PV-Einspeiser und Stromkunden weitergegeben werden, also auch negative Preise, wie sie um die Mittagszeit oft auftreten. Das würde langfristig die richtigen Anreize für Investoren schaffen, weniger einzuspeisen und etwa Speicher besser zu nutzen; und für Verbraucher, da, wo es möglich ist, wie bei E-Autos oder Wärmepumpen, den Strombedarf auf das immer volatilere Angebot abzustimmen.
Skeptisch beurteilt Haslauer auch die im ElWG verankerte „Preissenkungsgarantie“. Wenn die Stromlieferanten sinkende Börsenpreise binnen sechs Monaten weitergeben müssen, werden sie kurzfristiger als bisher einkaufen. Dadurch werden auch mögliche Preisanstiege rascher bei den Kunden ankommen, warnt er. Bei den Strompreisen im Großhandel rechnen die E-Venture-Experten durch den starken Ausbau an Wasser-, Wind- und Sonnenkraft in den nächsten Jahren tatsächlich mit einem Rückgang, wenn auch nicht auf das Niveau vor der Energiekrise 2022. Die Energiekomponente in den Haushaltspreisen sollte von heuer durchschnittlich 15,3 Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf 12,5 Cent 2030 sinken. Voraussetzung dafür sei aber, dass das Merit-Order-System erhalten bleibt.
Die jüngste Ankündigung von Bundeskanzler Christian Stocker, sich in Brüssel für einen anderen Preisbildungsmechanismus einzusetzen, hält Haslauer für kontraproduktiv und eine „Nebelgranate“. Denn die EU-Kommission habe das Marktmodell nach der Krise geprüft und bestätigt. Die Regierung versucht nach Ansicht des Energieexperten nur davon abzulenken, dass die Energiewende in Richtung 100 Prozent Ökostrom wie in Österreich und Deutschland die Stromrechnung erhöht und nicht wie versprochen senkt.
Statt die Probleme anzugehen, greife die Politik – wieder – zum bewährten, aber teuren Mittel Abgabenreduktion oder Subvention. Die Senkung der Elektrizitätsabgabe von 1,5 auf 0,1 Cent pro kWh im nächsten Jahr (Kostenpunkt: 500 Mill. Euro) erspart einem Durchschnittshaushalt etwa fünf Prozent. In Deutschland, das ebenfalls mit den steigenden Kosten der Energiewende kämpft, wie Haslauer sagt, setzt Wirtschaftsministerin Katherina Reiche ganz oben an. Sie will die Übertragungsnetze in den nächsten drei Jahren mit je 6,5 Mrd. Euro jährlich subventionieren und so die Tarife senken.
Monika Graf
Salzburger Nachrichten





