Neues Gesetz ante portas

20. Oktober 2023

Energiewende. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) soll Realität werden. Unternehmen sollten sich möglichst bald darauf vorbereiten – denn sonst drohen rechtliche Konsequenzen.

Dass die gesamtgesellschaftliche Umsetzung der Energiewende eine Herausforderung werde, stand bereits außer Frage. Doch bis zuletzt war auch die politische Umsetzung problematisch: So ist das neue „Heizungsgesetz“ in Deutschland zum Streitobjekt geworden, wie die Ergebnisse der jüngsten Regionalwahlen im Nachbarland zeigen. In Österreich hieß es seit mehr als einem Jahr beim wichtigsten neuen rechtlichen Regelwerk für die grüne Energiezukunft „bitte warten“. Nun soll das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG), das Österreichs Heizungen bis 2040 klimafreundlich machen soll, Realität werden. Nachdem ÖVP-Energiesprecherin Tanja Graf im September ihre Meinung öffentlich machte, dass das Gesetz „von der Struktur her falsch aufgebaut“ sei, ist ein Totalverbot von Gasheizungen doch nicht mehr erwünscht – auch wenn der ursprüngliche Entwurf das eigentlich bis 2040 vorgesehen hätte. Wie das Gesetz aussehen werde, bleibt bis zuletzt spannend: Es werde weiter eifrig verhandelt, hieß es zuletzt von den beiden Regierungsparteien.

Das Gesetz war zwischen den Regierungsparteien eigentlich seit Langem fertig verhandelt und sollte nach Einigung mit der – inzwischen laut Umfragen deutlich geschrumpften – SPÖ über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament bereits Anfang 2023 beschlossen werden. Doch Krise, Inflation und der Blick über die Grenze nach Deutschland haben der Regierung den Mut genommen, was auch die ÖVP-interne Kritik erklärt. Bereits seit einem halben Jahr gab es keine Gespräche mehr zwischen Regierung und den Sozialdemokraten, dabei kann das Gesetz ohne Zweidrittelmehrheit selbst bei einer plötzlichen Einigung innerhalb der Regierung nicht beschlossen werden.

Investitionen rückläufig

Die Haushalte spüren bereits, dass sie sich mehr Zeit bei ihren Investitionen lassen können: So ist die Anzahl der Anträge bei der Bundesförderung „Raus aus Öl und Gas“ im ersten Halbjahr im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2022 um 80 Prozent eingebrochen und auch der Absatz von E-Autos an private Haushalte läuft heuer mehr als schleppend. Die Unsicherheit stellt aber auch die Unternehmen immer mehr auf die Probe – zumal Investitionen in die Energiewende vor dem Hintergrund der hohen Zinsen und der Rezession in Österreich in Vorstandssitzungen schwer zu argumentieren sind. Denn der alles entscheidende Faktor jeder Investition ist der Cashflow, wie Dieter Hengl, Vorstand Corporates in der UniCredit Bank Austria hinweist: „Ohne Cashflow investiert niemand – das gilt für die Energiewende ebenso, wie für andere Branchen, trotz der Wichtigkeit des Themas.“ Gerade bei volatilen erneuerbaren Energien ortet Hengl ein Problem in der Darstellung dieses Cashflows. Auch die langen Laufzeiten würden Investoren vor „gewisse Herausforderungen” stellen, wie der Banker sagt; vor allem in jenen Wirtschaftszweigen, die aktuell unter den hohen Zinsen besonders stöhnten.

Das gilt für die Immobilienbranche – jenen Bereich, wo die Umsetzung des neuen Gesetzes am schwierigsten sein dürfte: In Österreich sind rund 1,9 Millionen Gas- und Ölheizungen in Betrieb. Zugleich gibt es im Land genau 6561 aktive Installateure. Für den Umstieg auf erneuerbare Wärmeversorgungsanlagen stellt Rechtsanwalt Martin Prunbauer, Präsident des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes (ÖHGB) eine einfache Rechnung an: „Um die Zielvorgaben zu erfüllen, müssten bis 2040 jede Woche mehr als 2000 Heizungen getauscht werden. In ganz Wien, wo die meisten Gasheizungen bestehen, gibt es allerdings nur 1297 Installateurbetriebe, von denen auch nicht alle Gas- bzw. Heizungstechniker sind.“ Der ÖHGB bemängelt daher neben der Rechtsunsicherheit auch die fehlende Umsetzbarkeit des bisher bekannten EWG-Entwurfs.

„Das EWG verkörpert exemplarisch die aktuelle Rechtsunsicherheit“, bestätigt auch Philipp Smula, Gründer und Geschäftsführer von Aure Immobilien. Smula ist vor allem auf Zinshäuser spezialisiert – also auf jenen Altbestand, der von energetischen Sanierungsmaßnahmen am meisten profitieren würde, diesbezüglich aber auch vor den höchsten Kosten steht. „Die Hemmung der heimischen Legislative bremst am Immobilienmarkt die gesamte Branche ein“, so Smula. „Als ob der Markt noch nicht genug stocken würde aufgrund hoher Zinsen, Inflation, Baukostenanstiegs, stagnierenden Neubaus und der restriktiven Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung, erzeugt die Politik durch Nichthandeln eine zusätzliche Marktunsicherheit. Es ist also dringend geboten, dass der Gesetzgeber handelt, um die Unklarheiten im Erneuerbare-Wärme-Gesetz zu beseitigen und somit für ein wenig mehr Stabilität im Markt zu sorgen.“ Smula wollte bereits eine private Initiative starten, um Druck auf die Politik auszuüben – den Rückhalt der Immobilienwirtschaft hätte er gehabt, sagt er.

Rechtliche Vorarbeit nötig

„Politik steuert durch Recht“, sagt Rechtsanwalt Johannes Barbist: Der Druck auf EU-Ebene sei bereits sehr hoch, daher der Stillstand in Österreich umso verwunderlicher, so der Partner bei der Wirtschaftsrechtskanzlei Binder Grösswang in Wien. Doch auch bis zum endgültigen Gesetz wäre es für Unternehmen der falsche Weg, erst einmal gar nichts zu machen, weist Barbist hin: „Wir raten Unternehmen, das Thema ernst zu nehmen und sich frühzeitig um die Umsetzung zu kümmern.“ Das bedeute, interne Prozesse zu adaptieren oder auch neu aufzusetzen.

Denn auch wenn es länger als erwartet braucht: Das EWG wird als Teil des „Erneuerbare-Energie-Paketes“ doch kommen – und auch die Energiewende lässt sich nicht aufhalten oder gar umkehren. Am besten sei es daher, proaktiv zu agieren und nicht nur auf die Kosten zu achten, sondern auch auf den Nutzen, so Barbist: „Unternehmen, welche die Energiewende als Chance sehen und sich entsprechend aufstellen, können dadurch klare Wettbewerbsvorteile erlangen.“ Etwa, indem sie durch frühes Handeln Preisvorteile hätten. Ein wichtiger Punkt: Während die Politik auch mit Slogans punkten kann, müssen Unternehmer ihre Kunden dort überzeugen, wo es besonders zählt – bei ihrer Brieftasche.

Sanierungen im FokusQuote sinkt. Noch wichtiger als der Neubau ist bei der Energiewende der energetisch veraltete Bestand. Derzeit liegt die Sanierungsquote beim österreichischen Wohnungsbestand laut Zahlen des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) jedoch bloß bei 1,7 Prozent. Zur Erreichung der Klimaziele bis 2040 wären mindestens 2,5Prozent nötig – und das in einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem die Sanierungsquote zuletzt aufgrund der enorm gestiegenen Investitionskosten sogar rückläufig war.

von André Exner

Die Presse