Putins Öl-Geschäft läuft wie geschmiert

23. Juli 2024

Sanktionen. Russisches Öl kostet erstmals seit Einführung der Sanktionen von USA, G-7 und EU wieder so viel wie amerikanisches. Putins Energie-Einnahmen sind im Jahresvergleich um fast 70 Prozent angestiegen

Russland verdient wieder gutes Geld mit dem Export von Öl und Gas. Der Preisdeckel, auf den sich USA, EU und G-7 geeinigt haben, um Putins Einnahmen zu drücken, hält nicht. Anfang der Woche kostete die russische Referenz-Sorte „Urals“ zwischen 81 und 82 Dollar je Fass (159 Liter) – und damit gleich viel wie die US-Sorte West Texas Intermediate (WTI).

Auf Jahresbasis sind die russischen Einnahmen aus dem Energiesektor um fast 70 Prozent gestiegen, sagt Vasily Astrov, Russland-Experte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) zum KURIER. Wohlgemerkt war 2023 ein vergleichsweise schlechtes Jahr für Russland, denn die Ölpreise waren niedrig und die Sanktionen haben relativ stark gewirkt. Insgesamt haben die Einnahmen aus Öl und Gas im laufenden Jahr ein Drittel zum föderalen Budget Russlands beigetragen, sagt Astrov. Öl ist dabei deutlich wichtiger, normalerweise etwa im Verhältnis drei zu eins. Das ist etwas weniger als vor dem Krieg, denn da waren es etwa 40 Prozent – rechnet man die Budgets der Regionen ein, etwa ein Viertel des Staatshaushaltes.

Zahnlose Umsetzung

Theoretisch sollte Russland sein Öl um maximal 60 Dollar pro Fass verkaufen können. Hinter der Maßnahme steht die Annahme, dass die Exporte des je nach Jahr zweit- bis drittgrößten Ölproduzenten am Weltmarkt (der größte sind die USA, Anm.) nicht ersetzt werden können. Der Westen wollte erreichen, dass Russland sein Erdöl zwar exportiert, damit aber weniger verdient. Wer russisches Öl transportiert oder versichert, das teurer gekauft wurde, sollte sanktioniert werden. Insbesondere China und Indien haben in Folge vermehrt billig russisches Öl eingekauft. Die Preisdifferenz von zeitweise bis zu 20 Dollar ist in den vergangenen Monaten aber geschwunden (siehe Grafik).

Für den Ölmarktexperten Johannes Benigni hat das zwei Gründe. Zum einen sei die Nachfrage derzeit höher als die Produktion. Weltweit betrachtet würden die Lagerbestände um etwa eine Million Fass pro Tag sinken, denn wichtige Förderstaaten in der OPEC+ haben ihre Produktion gekürzt, um die Preise zu stützen. Die europäische Industrie mag Konjunktursorgen haben, in Asien sei davon aber wenig zu spüren, sagt Benigni. Ist der Markt also unterversorgt, sinken auch die Abschläge für Öl aus sanktionierten Staaten wie Russland. Das sei etwa bei Venezuela auch schon in der Vergangenheit zu beobachten gewesen.

Der zweite Grund ist politischer Natur: Die Sanktionen im Ölsektor werden nicht wirklich durchgesetzt. „Wenn sie wollten“ könnten die USA deutlich mehr Druck machen, ist Benigni überzeugt. Auch große Marktteilnehmer würden irgendwann die Finger von russischem Öl lassen, wenn sie zum Beispiel befürchten müssten, dass ihre Dollarzahlungen eingefroren werden (Öl wird in Dollar gehandelt, Anm.).

„Ich glaube, dass die Schraube von den Amerikanern nicht enger gedreht wird, weil Wahlkampf ist“, sagt Benigni zum KURIER. Denn wenn es durch die Sanktionen dazu kommt, dass die weltweite Öl-Verteilung behindert wird, würden absehbarerweise die Ölpreise steigen – und damit auch die Spritpreise für die amerikanischen Wähler.

Russisches Erdgas in EU

Weniger gut läuft es für Russland bei den Gasexporten. Denn anders als beim Öl können die Lieferungen nicht so einfach umgeleitet werden. Ein Gutteil der Exporte zum Hauptkunden Europa erfolgte über Pipelines, Russland hat nicht ausreichend Verflüssigungsanlagen, um die Mengen an andere Abnehmer zu bringen. Gazprom schrieb deswegen erstmals seit 25 Jahren Verluste. Allerdings, auch hier zeigt sich für die russische Staatskasse ein Hoffnungsschimmer, denn die Exporte nach Europa steigen wieder. Rechnet man die Einfuhren von russischem Flüssiggas sowie über die Pipelines durch die Ukraine und die Türkei zusammen, war das Land laut Daten des Brüsseler Thinktanks Bruegel im zweiten Quartal der zweitgrößte Gaslieferant der EU nach Norwegen, noch knapp vor den USA.
Dass sich die EU erstmals auf Sanktionen gegen russisches Flüssiggas geeinigt hat, ändert daran übrigens nichts. Denn betroffen sind davon nicht die eigenen Importe, sondern nur die Importe in Drittstaaten.

Kurier