Deutschland kann EU-Staaten bei Klimaschutz mitziehen

7. Mai 2021, Berlin/Brüssel
Ursula von der Leyen
 - Brussels, APA/AFP/POOL

Das Karlsruher Urteil gegen das Klimaschutz-Gesetz ist nach Ansicht von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine große Chance für Deutschland und die EU. „Wenn Deutschland jetzt dem Beschluss entsprechend handelt, kann daraus eine Win-Win Situation für beide entstehen“, sagte die Kommissionspräsidentin der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Freitag veröffentlichten Interview.

„Deutschland kann bei richtigen Entscheidungen seine Vorreiterrolle bei innovativen und klimafreundlichen Technologien ausbauen“, betonte von der Leyen, die sich durch ein entschiedenes Vorgehen der deutschen Regierung beim Klimaschutz auch Rückenwind für die Durchsetzung der Pläne der EU-Kommission erhofft.

Von der Leyen wies die Bedenken etwa aus der Wirtschaft zurück, dass neue Klimaschutzauflagen deutsche Firmen besonders belasten würden. Die EU-Kommission werde im Sommer ein großes Gesetzespaket zum Klimaschutz vorstellen. „Das legt für alle 27 Staaten einen gemeinsamen Weg fest, um die EU-Klimaziele zu erreichen. Damit wollen wir auch Wettbewerbsgerechtigkeit im EU-Binnenmarkt herstellen“, betonte sie. Alle EU-Staaten müssten sich an die Regeln halten und alle in dieselbe Richtung arbeiten, in die Deutschland jetzt gehe. „Deutschland entsteht daraus kein Nachteil.“

Mittlerweile hätten alle Mitgliedstaaten der EU der CO2-Reduzierung um 55 Prozent bis 2030 und der Klimaneutralität bis 2050 zugestimmt. Das werde also nicht mehr infrage gestellt. Es gehe nicht mehr um das ‚ob‘, sondern nur noch darum, wie man diese Ziele erreiche.

Von der Leyen verwies darauf, dass die Wirtschaft zudem von europäischer Seite mit „einer gewaltigen, nachhaltigen Konjunkturspritze in Form unseres Aufbaufonds ’next generation EU‘ mit 750 Milliarden Euro“ rechnen könne. „Davon müssen 37 Prozent für den ‚European Green Deal‘ ausgegeben werden. Das kann einen enormen Schub für diejenigen bedeuten, die klimafreundliche Technologien anbieten“, betonte die Kommissionspräsidentin. Deutsche Stahlhersteller seien schon heute sehr weit vorne bei Konzepten für klimaneutrale Stahlproduktion. „Mit dem EU-Geld gibt es nun die Chance, dass diese innovativen Pilotprojekten den Durchbruch in der Breite schaffen“, fügte sie mit Blick auf die Hoffnungen der Stahlbranche auf staatliche Hilfen beim Umbau etwa auf eine wasserstoffbasierte Stahlerzeugung hinzu. Erst vor wenigen Tagen hatten sich die Stahlfirmen deshalb mit dem deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier getroffen.

Die Kommissionspräsidentin drängte auf eine ambitionierte Politik der EU-Staaten und verwies darauf, dass sich mittlerweile mit China, Südkorea, Südafrika, Japan und nun auch wieder den USA viele wichtige Industrieländer ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt hätten. „Der Wettbewerb ist eröffnet, wer mit den besten Technologien den Weltmarkt erobert.“ Die EU markiere mit ihren zwölf anstehenden Gesetzesvorhaben den „Gold-Standard“, an dem sich weltweit viele orientieren würden. „Unsere europäischen Unternehmen müssen deshalb früh die richtigen Weichen stellen, um in eine Gewinnerposition zu kommen.“ Das gelte gerade für Deutschland.

Von der Leyen begrüßte auch ausdrücklich den Hinweis des Karlsruher Urteils auf die nötige Generationengerechtigkeit beim Klimaschutz. „Mehr Vorausschau bei Investitionen ist absolut richtig. Deshalb habe ich unser Investitionspaket ganz bewusst ‚Next generation EU‘ genannt. Wenn wir schon 750 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen und in den dringend nötigen Wiederaufbau nach Corona investieren, dann nur unter der Bedingung, dass wir zwei Schwerpunkte setzen, die auch der jungen Generation zugute kommen.“ Das seien vor allem Umweltschutz und Digitalisierung. „Ohne Digitalisierung erreichen wir auch unsere Klimaziele nicht.“

Im übrigen sei Deutschland nicht alleine mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. „Es gab in den letzten Jahren schon in drei anderen EU-Staaten Entscheidungen, die verbindlicheren Klimaschutz einforderten“, sagte von der Leyen in Anspielung auf entsprechende Urteile in den Niederlanden, Frankreich und Irland in den Jahren 2019 und 2020. „Es reicht eben nicht, nur Klimaziele festzulegen, die Politik muss auch konkret zeigen, wie sie diese erreichen kann.“ Dazu komme die Aufforderung der Gerichte, die Interessen der kommenden Generation stärker als bisher zu berücksichtigen.

APA/ag

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