Höhere Netztarife regen auf

23. Oktober 2024, Wien

2025 steigen die Netzgebühren um durchschnittlich 23 Prozent, aber das trifft nicht alle. Denn im System sind Ungerechtigkeiten eingebaut, die jetzt weiter zunehmen.

Haushalte und Unternehmen werden im kommenden Jahr höhere Netztarife für Strom und Gas zahlen müssen. Laut dem Entwurf für die sogenannte Systemnutzungsentgelt-Verordnung, die vorigen Donnerstag in Begutachtung gegangen ist, werden die Netztarife im Durchschnitt um 23 Prozent oder rund 70 Euro (bei 3500 Kilowattstunden Verbrauch im Jahr) steigen. Die Begutachtungsfrist läuft bis 7. November, große Änderungen werden aber nicht mehr erwartet.

Die steigenden Netztarife regen auf. Die Arbeiterkammer (AK) hat kürzlich vor einer Verdoppelung bis 2030 gewarnt, sollte die Entwicklung so weitergehen. Auch E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch mahnt gesetzliche Änderungen ein, um die Netzgebühren einzudämmen. Denn aktuell muss massiv in den Ausbau der Leitungen investiert werden, um das System fit für die dezentrale Versorgung mit volatiler Wind- und Solarkraft zu machen. Die Schätzungen gehen bis 2035 von etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr aus, doppelt so viel wie in den vergangenen zehn Jahren.

Die Energieregulierungsbehörde muss alljährlich festlegen, welche Kosten der Netzgesellschaften (mit marktgerechter Verzinsung) berücksichtigt und wie sie zwischen Haushalten, Unternehmen und Erzeugern verteilt werden. Derzeit kosten die Netzgebühren einen Durchschnittshaushalt etwa 300 Euro im Jahr, mit deutlichen Unterschieden zwischen den Bundesländern. Vergleichsweise hoch sind sie, teils aus geografischen Gründen, teils wegen des Investitionsbedarfs, in Kärnten, der Steiermark und auch Salzburg, geringer in Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich.
Die Netzkosten landen heute – abgesehen von kaum zehn Prozent für Erzeuger – bei den Verbrauchern. Davon tragen laut Arbeiterkammer 44 Prozent die Haushalte – obwohl sie nur 27 Prozent des Stroms verbrauchen – , während die Großindustrie bei einem Verbrauchsanteil von 30 Prozent nur 14 Prozent beiträgt. Die AK fordert daher einen neuen Verteilungsschlüssel, mit dem Großabnehmer, Produzenten und der Stromtransit stärker zur Kasse gebeten werden.
Seit immer mehr Private und Unternehmen mit Photovoltaikanlagen ihren Stromverbrauch zum Teil selbst decken– allein 2023 gingen 140.000 PV-Anlagen ans Netz –, kommt ein weiteres Problem dazu: Deshalb geht die Stromentnahme aus dem öffentlichen Netz nicht nur durch Energiesparmaßnahmen zurück. 2023 sank sie um 5,6 Prozent, unter das Niveau von 2010. Wer kein eigenes Sonnenkraftwerk hat, wie viele Stadtbewohner oder weniger betuchte Hausbesitzer, muss Ersparnisse der anderen ausgleichen. Denn verrechnet wird (abgesehen vom Grundbetrag) nach verbrauchten Kilowattstunden.

„Wir haben auf der Netzebene sieben (Verteilnetz für Haushalte, Anm.) tatsächlich ein Verteilungsproblem“, konstatiert auch Regulator Urbantschitsch. Das System werde in Zeiten von PV-Anlagen immer ungerechter. Mit der Zunahme von E-Autos und Wärmepumpen werde der Stromverbrauch zwar zunehmen, sagen die Prognosen, aber mit gewisser Verzögerung.

Lang kannten die Netztarife nur eine Richtung: nach unten. Im System waren große Reserven vorhanden, es ging um Effizienzsteigerungen. Auch als wieder investiert wurde, war der Druck auf die Netzbetreiber groß, keine Fleißaufgaben zu machen. Das werfen sie respektive die Landesversorger als ihre Eigentümer der E-Control jetzt vor. „Die Investitionen waren ausreichend“, betont Urbantschitsch.

Nach Ansicht des Regulators sollten sich die Netztarife künftig weniger an den Jahresmengen orientieren, sondern vielmehr an den Belastungen der Netze durch Einspeisung und hohe Leistung – etwa für die Poolheizung, um den Tesla aufzuladen oder die Sauna anzuwerfen. Für solche leistungsbezogenen Tarife fehle jedoch noch die gesetzliche Grundlage, sagt Urbantschitsch zu den SN. Zudem sollten Ausnahmen und Reduktionen sowie Vorgaben für Erzeuger überdacht werden. Kritisch sieht der E-Control-Chef die geringen Pauschalbeträge für den Netzzugang von privaten PV-Anlagen, die ähnlich wie Förderungen wirkten. Netzbetreiber müssten noch effizienter werden und Kosten sparen. Von der AK-Forderung, die Kosten des Netzausbaus durch öffentliche Kofinanzierung zu senken, hält Urbantschitsch nichts. „Ein funktionierendes System sollte sich selbst tragen.“

Die AK mahnt neben einer besseren Abstimmung der Planung zwischen dem Photovoltaikboom und Netzausbau auch mehr Speicherkapazität ein, um die Netzbelastung (durch Überschussstrom) zu reduzieren und E-Autos sowie Wärmepumpen flexibler einzusetzen.

von Monika Graf

Salzburger Nachrichten