Damit die Klimaschutzziele erreicht werden können, sollte die im abgelaufenen Jahrzehnt in Österreich spürbar gesunkene Gebäudesanierungsrate bis 2025 von derzeit rund 1,5 auf 2,5 Prozent im Jahr deutlich erhöht werden. Das forderte Wohnbauexperte Wolfgang Amann am Montag. Sektionschef Jürgen Schneider vom Umweltministerium verwies auf insgesamt 1,64 Mrd. Euro, die der Bund für 2022 bis 2024 hier vorsieht. Der Bausektor benötigt dafür Zehntausende Beschäftigte mehr.
Der bisherige Dekarbonisierungspfad Österreichs reiche nicht aus, gegenüber 1990 seien die CO2-Emissionen nicht gesunken. Bei den Gebäuden sei zwar im Zeitraum 2005 bis 2012 eine Treibhausgas-Reduktion um ein Drittel erreicht worden – nämlich um 4 Millionen Tonnen jährlich -, danach bis heute aber nur weitere minus 6 Prozent, sagte Amann, Geschäftsführer am Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW), zu einer gemeinsam mit dem Umweltbundesamt erstellten Studie. Der Spitzenwert von 40.000 umfassenden Sanierungen im Gebäudebereich sei vor elf Jahren erreicht worden – als damals für die Konjunkturbelebung nach der Finanzkrise der Sanierungs-Scheck „erfunden“ wurde, so Robert Schmid, Fachverbandsobmann der Stein- und keramischen Industrie der WKÖ.
Allein in der Hochbausanierung würde eine 60-prozentige Anhebung der Sanierungsquote eine Steigerung des Produktionsvolumens von derzeit 10 Mrd. auf rund 16 Mrd. Euro bis 2025 bedeuten, rechnete Schmid in einem Online-Pressegespräch vor. Laut Amann wird der Bausektor dafür mehrere 10.000 Beschäftigte benötigen, die nur zum Teil aus anderen Bereichen der Branche kommen würden, also vielfach auch neu rekrutiert werden müssten.
Nach umfassenden Sanierungen von 40.000 Wohnungen im Jahr 2010 seien es 2018 nur noch 13.000 gewesen und auch im Jahr 2020 nur unwesentlich mehr, sagte Amann. Zugleich sei die Zahl der geförderten Einzelmaßnahmen wie Fenster- oder Heizungstausch von 50.000 auf 20.000 zurückgegangen. Die Sanierungsförderung der Länder sei vom Höchstwert 2009 bis zum Tiefstwert 2018 um mehr als zwei Drittel gesunken und seither nur leicht gestiegen.
Bisher sei die Sanierungsförderung der Länder deutlich wichtiger gewesen als jene des Bundes, so Amann. In früheren Jahren habe die Förderung der Länder 800 Mio. Euro im Jahr ausgemacht, im Vorjahr nur rund 400 Mio. Euro. Damit sei „sicher nicht das Ende der Fahnenstange erreicht“, meinte der Experte: „Die Länder können sicher noch einmal nach oben gehen.“
Auch die Zahl ungeförderter Generalsanierungen halbierte sich demnach binnen rund zehn Jahren von 8.000 auf 4.000 im Jahr; dafür legten die Einzelbauteil-Sanierungen zu von rund 60.000 Mitte der 2010-er Jahre auf zuletzt 110.000 Wohnungen im Jahr. Vier Einzelmaßnahmen bringen laut Amann so viel wie eine umfassende Sanierung.
Sektionschef Schneider sagte, dass das beschlossene Bundesfinanzrahmengesetz für die vier Jahre 2022 bis 2025 in Summe 1,64 Mrd. Euro für eine Sanierungsoffensive vorsehe – zur Umstellung auf klimafreundliche Heizsysteme und für thermische Sanierungen. Ursprünglich hätte das Budget für 2022 nur 350 Mio. Euro betragen, die für die Jahre danach bis 2025 fortgeschrieben worden wären. Durch das Ökosteuerpaket 2022/23 kämen jeweils 90 Mio. Euro für die energetische Sanierung hinzu und 2022 noch einmal 60 Mio. Euro für den mehrgeschoßigen Wohnbau.
Zudem sei ein eigenes Paket zur sozialen Abfederung geschnürt worden im Ausmaß von 140 Mio. Euro für 2022, 90 Mio. für 2023 sowie je 50 Mio. für 2024/25. Obendrein seien Sanierungen, die mit Bundesförderung erfolgt sind, künftig als Teil der Öko-Steuerreform steuerlich begünstigt, sagte Schneider. In der geplanten Wärmestrategie solle die Sanierung ebenfalls eine Rolle spielen, auch mit den Ländern sei man dazu im Gespräch. Für ein reibungsloses Umstellen der Heizsysteme bedarf es laut Amann aber Änderungen im Wohnrecht, damit sich nicht – wie derzeit möglich – einzelne Mieter weigern könnten, ihre Gasheizung oder ihren Gasherd austauschen zu lassen.
APA