Die Begutachtung der Steuerreform, die am Montag endet, hat bisher zu 200 Stellungnahmen geführt, die großteils entlang bekannter Konfliktlinien verlaufen. Umweltschutzorganisationen kritisieren, dass die Ökologisierung des Steuerrechts nicht weit genug geht, die Autofahrerklubs lehnen zusätzliche Steuern auf fossile Energieträger ab und die Arbeiterkammer drängt darauf, kleinere Einkommen stärker zu entlasten. Von vielen Seiten wird der CO2-Preis als zu niedrig erachtet.
So sind etwa für das Land Kärnten die „vorgesehenen Ausgabewerte speziell in der Einführungsphase zu gering, um einen echten Lenkungseffekt zu erzielen“. Sie sollten sich zumindest am EU-Emissionshandelssystem orientieren, wo eine Tonne CO2 derzeit knapp 80 Euro kostet. Kärnten sowie andere Bundesländer verlangen Verhandlungen über den Finanzausgleich, um einen Anteil an den CO2-Einnahmen zu erhalten. Ab 1. Juli 2022 kostet es 30 Euro, eine Tonne Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre zu blasen.
Die Initiatoren des Klimavolksbegehrens fordern einen noch viel höheren CO2-Preis von über 200 Euro pro Tonne. Die von der Regierung veranschlagten 30 Euro pro Tonne reichten nicht aus, um die im Regierungsprogramm angepeilte Kostenwahrheit zu erreichen. Sie fordern die türkis-grüne Koalition auf, das Regierungsprogramm umzusetzen und Pendlerpauschale, Lkw-Maut und Dienstwagenprivileg zu ökologisieren. „All diese Punkte vermissen wir im vorliegenden Gesetzesentwurf“, so die Klimaktivistinnen und -aktivisten, deren Sprecherin die Buchautorin Katharina Rogenhofer ist. Ähnlich äußerte sich der WWF. Es sei „geradezu fahrlässig“, dass Österreich weiter jährlich bis zu 4,7 Mrd. Euro für umweltschädliche Subventionen ausgebe.
Die Armutskonferenz wiederum mahnt ein, dass der Klimabonus in seiner regionalen Ausprägung nicht sozial treffsicher ist. Statt einer regionalen Staffelung schlägt das Netzwerk einen einkommensabhängigen Ökobonus mit Kinderzuschlag vor. Die reichsten zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung würden mehr als viermal so viel Treibhausgase wie die ärmsten zehn Prozent verursachen, dennoch treffe Arme der CO2-Preis etwa beim Heizen stärker als Reiche. „Klimaschutz wird nur dann erfolgreich sein, wenn er nicht sozial blind ist.“
Die Wirtschaft ist in puncto CO2-Preis je nach Branche uneinig. Die Energiewirtschaft begrüßt das geplante nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz. Sie sieht darin einen „weiteren Schritt zur Attraktivierung der ökologischen Energieerzeugung“. Im Detail seien aber einige an das deutsche Recht angelehnte Bestimmungen unklar. Der Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW) wünscht sich eine Klarstellung, dass eine Weiterverrechnung des CO2-Preises keinen Eingriff in bestehende Energielieferverträge darstellt.
Die Wirtschaftskammer lobte die Steuerreform, bemängelte aber, dass die Senkung der Körperschaftssteuer erst verspätet umgesetzt werden. Auch der Investitionsfreibetrag sollte früher anwendbar sein, so die Kammer. Für die Klimatransformation brauche es aber mehr Kapitalanreize. Beim CO2-Preis begrüßt die WKÖ, dass Österreich den deutschen Preispfad übernommen hat. „Bedauerlich“ sei, dass den Klimabonus nur Haushalte, nicht auch Unternehmen erhalten.
Die Arbeiterkammer bewertete die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer positiv, kritisiert aber das unterjährige Inkrafttreten. „Die Regelung bedeutet viel unnötige Bürokratie für die Lohnverrechnung in den Betrieben und führt dazu, dass die ArbeitnehmerInnen teilweise monatelang auf die versprochene Steuersenkung warten müssen“, so die AK. Dass aus dem CO2-Fixpreis nach 2025 ein Handelssystem werden soll, gefällt der Kammer nicht. Die AK „sieht die Anwendung solcher Systeme auf Grundbedürfnisse wie Heizen oder Mobilität sehr kritisch, weil sie die Verantwortung für die Erreichung der Klimaziele faktisch an die VerbraucherInnen auslagern.“
Für das sozial-liberale Momentum Institut ist nicht nachvollziehbar, dass Diesel weiter geringer besteuert wird als Benzin, obwohl Diesel mehr CO2-Emissionen verursacht als Benzin. Das Dieselprivileg sei unsachlich, so der Thinktank.
Die Autofahrerinteressensvertretung ÖAMTC fordert im Gegenzug für die CO-Bepreisung eine Senkung der Mineralölsteuer auf das Niveau von vor 2011 und verlangt, dass der geplante Preisstabilitätsmechanismus schon 2022 zur Anwendung kommt. Für „Härtefälle“ wie Pendlerinnen und Pendler, die besonders auf das Auto angewiesen seien, brauche es eine über den Klimabonus von 200 Euro hinausreichende finanzielle Entlastung. Der ARBÖ rechnete vor, dass mit dem Klimabonus nur eine Fahrleistung von 18.300 Kilometer jährlich abgedeckt sei und diese bis 2025 auf 9.800 sinke.
Die hohe Anzahl der Stellungnahmen erklärt sich auch durch etliche persönliche Beschwerden über die Änderung bei Kryptowährungen. Dabei handelt es sich um Anleger, die nicht einsehen wollen, dass sie rückwirkend ab März 2021 wie bei Aktien Steuern auf Kursgewinne von Bitcoin und Co. zahlen müssen und dazu auch schon eine Petition gestartet haben. Ein Krypto-Anleger sagt, er habe auf Basis geltender Gesetze eine Investitionsentscheidung für das Familienbudget getroffen. Die rückwirkende Steuerpflicht „stimmt die gesamte Familie sehr unglücklich“. Auch Unternehmen und Vertreter der Kryptobranche kritisieren den unterjährigen und in der Vergangenheit liegenden Stichtag.
Nicht nachvollziehen kann hingegen der Innsbrucker Uni-Professor und Steuerrechtsexperte Reinhold Beiser, dass Kryptowährungen weiter steuerlich begünstigt werden, obwohl sie zu Spekulation verleiten und die organisierte Kriminalität und Geldwäsche fördern. „Eine Besserstellung von Kryptowährungen im Vergleich zu Sparern, Käufern von Bundesanleihen oder Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften (Aktionären; Gesellschaftern einer GmbH ) durch eine Ungleichbehandlung im Abzugsverbot für Aufwendungen und Ausgaben nach § 20 Abs 2 EStG ist nicht zu empfehlen“, so Beiser. Spekulationen in Kryptowährungen seien steuerlich nicht zu fördern und nicht durch eine lineare Besteuerung mit Splittingeffekt zu begünstigen. Sie sollten stattdessen als nicht tarifbegünstigte Derivate erfasst werden.
Auf ein anderes Problem im Zusammenhang mit Kryptowährungen weist die Forschungsstelle SBA Research hin. Es sei aufgrund der Definition im Gesetz nicht eindeutig, eventuell auch elektronische immaterielle Güter wie World-of-Warcraft-Gold und andere Tokens oder Gutscheine, etwa von Nintendo, Steam, Amazon oder Facebook, bei denen es einen klaren Emittenten gibt, als Kryptowährung eingestuft werden könnten. SBA Research weist wie auch die Digital Assets Association Austria darauf hin, dass auch viele technische Besonderheiten von Kryptowährungen nicht berücksichtigt sind.
Ein anderes Anliegen hat die orthodoxe Kirche. Seit Inkrafttreten der Sonderausgaben-Datenübermittlungsverordnung 2017 würden Beiträge an die orthodoxe Kirche aber nicht mehr als steuerlich absetzbare Sonderausgaben anerkannt, da die orthodoxe Kirche nicht auf der Liste spendenbegünstigter Einrichtungen angeführt wurde. Eine Aufnahme in diese Liste wurde mit Hinweis auf das Fehlen einer Kirchenbeitragsordnung, welche verpflichtende Kirchenbeiträge vorsehe, abgelehnt. Gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, die aufgrund ihres religiösen Selbstverständnisses keine als Pflichtbeiträge titulierten Beiträge von ihren Mitgliedern einheben, seien von dieser Geltendmachung als Sonderausgaben – wie es jahrzehntelang möglich war – seither ausgeschlossen. Auch das Bundeskanzleramt sieht hier eine Ungleichbehandlung und schlägt eine Bereinigung vor.
APA