Windkraft-Branche befürchtet zu langsamen Ausbau

1. Oktober 2020, Wien
Dunkle Wolken über Windrädern
 - Wolfhagen, APA (Symbolbild/dpa)

Die Windkraftbetreiber befürchten, dass das neue Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) – so ambitioniert es auch sei – die Errichtung neuer Windräder nicht in dem Ausmaß ermöglicht, wie es für die Regierungsziele für 2030 nötig wäre. Bis dahin soll der Strombedarf bilanziell übers Jahr zu 100 Prozent erneuerbar gedeckt werden. Auch zu den Themen „Standortkriterien“ und der Gefahr, dass es nach 2023 Ausschreibungen gibt, deponierte die IG Windkraft am Donnerstag ihre Wünsche.

Das Ausbau-Tempo in den zehn Jahren bis 2030 könnte zu gering sein, befürchtet die Branche. Derzeit sei im Entwurf zum EAG – die Begutachtungsfrist läuft noch bis 28. Oktober – eine um ein Viertel zu geringe jährliche Vergabemenge für Windkraft vorgesehen. Statt 400 Megawatt (MW) jährlich seien aber 500 MW (mit einer Erzeugungskapazität von 1,2 Terawattstunden/TWh) pro Jahr nötig, also rund 120 Windkraftanlagen jährlich. Das sei deshalb erforderlich, weil bis 2030 rund 650 Windräder mit 2 TWh Erzeugungskapazität wieder abgebaut würden. In Summe bedürfe es daher bis 2030 einem Windkraft-Zubau von über 12 TWh, nur netto seien es dann 10 TWh mehr.

Insgesamt ist bis 2030 in Österreich ein Ökostrom-Ausbau von 27 TWh vorgesehen, davon sollen 11 TWh (11.000 MW Leistung) auf Photovoltaik (PV) entfallen, 10 TWh (5.000 MW) auf Windkraft, 5 TWh (1.250 MW) auf Wasserkraft und 1 TWh (200 MW) auf feste Biomasse.

Bei der Neuregelung der Förderung sollte es nicht einen Wert für ganz Österreich geben, man sollte wie in Deutschland je nach Ertragsqualität – also lokal möglicher Stromausbeute – und jeweiliger Technologie differenzieren, sagte IG-Windkraft-Geschäftsführer Stefan Moidl vor Journalisten. Das deutsche Referenzertragsmodell stelle auf Standortqualität und technische Ausstattung der Anlagen ab, „dort gibt es Zertifizierungen für jede Anlage“. Das deutsche Modell habe sich bewährt: Sehr gute Standorte müssten weniger gefördert werden, für schlechte gebe es mehr Förderung. Bei uns gibt es aktuell für neue Windräder 8,12 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Stützung, bei Biomasse 12 bis 16 Ct/kWh. Ab 2021 soll es statt der Einspeisetarifförderung gleitende Marktprämien geben. „Im neuen System muss ich mich am Markt engagieren und kann mit guter Vermarktung mehr herausholen“, so IG-Wind-Juristin Ursula Näherer.

Dass die Stromkunden, speziell die Haushalte, durch die Förderung von Ökostrom überbeansprucht werden könnten, weist die IG Windkraft zurück. 2019 hätten die Kosten pro Haushalt im Schnitt 71 Euro betragen, für 2020 laute die Prognose auf 91 Euro, sagte Moidl. Pro Monat gehe es aktuell pro Haushalt um 5,9 Euro, pro Tag um 20 Cent. Gehe man davon aus, dass ein Haushalt im Schnitt zwei Personen zähle, seien es pro Person 10 Cent täglich. „Das ist es wert, wenn man wirklich Klimaschutz machen will“, so Moidl. In Summe habe das Ökostrom-Unterstützungsvolumen, der reine Förderanteil, 750 Mio. Euro im Jahr ausgemacht. Die Ökostrom-Abwicklungsstelle OeMAG habe insgesamt 1,1 Mrd. ausgezahlt. Künftig ist zur Auszahlung der Marktprämien eine EAG-Förderabwicklungsstelle geplant, die OeMAG könne sich auch dafür erneut bewerben.

Wie hoch für Windkraft die Förderung künftig ausfällt, können auch die Branchenvertreter derzeit noch nicht abschätzen – denn es stehe ja der Referenz-Marktwert noch nicht fest, der die Basis für die Berechnung der gleitenden Marktprämien bilden soll. Dieser Referenzwert sei übrigens nicht ident mit dem Marktpreis, wird betont. Laut EAG-Entwurf soll dieser Referenzwert nur vierteljährlich ermittelt werden, die Windbranche wünscht sich das monatlich, weil es in der Strombranche Usus sei, mit Monatswerten zu rechnen, so Nährer.

Wichtig wäre, dass generell auf Ausschreibungen verzichtet wird und nicht nur wie geplant bis 2024, wünscht sich die Windbranche laut der Rechtsexpertin: „Wir wollen nicht, dass ab 2024 die Förderhöhe durch Ausschreibungen festgelegt wird, die sollen vom Tisch sein.“ Ausschreibungen seien nicht effizient oder effektiv. 2023, soll das gesamte EAG-Fördersystem ja vom Klimaministerium evaluiert werden.

Laut EAG-Entwurf soll das Fördervolumen im 3-Jahres-Schnitt jährlich nicht über einer Milliarde Euro liegen. Wird die Summe doch überschritten, ist eine anteilige Kürzung der Förderkontingente vorgesehen. Falls die Zielerreichung gefährdet ist, hat laut Entwurf das Klimaschutzressort den Hauptausschuss des Nationalrats zu befassen, der entscheiden muss, ob Kürzungen vorzunehmen sind oder nicht.

Neben starken Stromnetzen seien auch raschere Genehmigungen von Windrädern nötig, deponierte Markus Winter, der technische Betriebsleiter der Windkraft Simonsfeld AG mit Sitz in Ernstbrunn (Niederösterreich). „Wir kriegen seit Jahren keine Netzanschlusspunkte mehr und wissen nicht wann, wo und wie wir unseren Strom ableiten können“, kritisierte er. Sein Unternehmen, eine AG mit über 2.100 Beteiligten sowie 70 Mitarbeitern, erzeugt derzeit Strom für rund 35.000 Haushalte und errichtet 40 weitere Windräder, mit denen die Kapazität um ein Fünftel gesteigert werden soll. Genehmigungsverfahren in der Windkraft würden „bis zu zehn Jahre oder darüber“ dauern, „das bringt uns nicht zu den 2030er Zielen“, kritisierte Winter. Bei der Großflächen-PV in NÖ geschehe derzeit gar nichts, weil sich die Nö. Landesregierung für die örtlichen Festlegungen zu diesem Thema nun zwei Jahre Zeit genommen habe.

Für den EAG-Beschluss im Parlament – bei dieser Energiematerie ist eine Zwei-Drittel-Verfassungsmehrheit erforderlich – wünscht sich IG-Windkraft-Obmann Fritz Herzog einen „nationalen Schulterschluss“ und „einen breiten Konsens“. Geschäftsführer Moidl bezeichnete das EAG als „die Nagelprobe der Klimapolitik“. Am 2. Dezember soll das Thema im parlamentarischen Wirtschaftsausschuss behandelt werden, am 10./11. Dezember im Nationalrat, am 16./17. Dezember im Bundesrat. Parallel läuft das EU-Notifizierungsverfahren, um keine Zeit zu verlieren. „Es wird beihilfenrechtlich möglich sein, das so bei der EU durchzubringen, ich sehe keine Probleme“, meinte die Juristin Nährer – insbesondere wo die neue EU-Kommission in Sachen Klimaschutz ambitionierter sei als die frühere.

APA