E-Wirtschaft warnt Länder vor PV-Flächen-„Verstaatlichung“

21. Oktober 2020, Wien

Die heimische E-Wirtschaft zeigt sich alarmiert über Pläne auf Bundesländerebene, Freiflächen für die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen ab einer bestimmten Größe nur noch vom Land nutzen zu lassen und Private auszuschließen. „Wir sehen das mit Besorgnis“, sagte der Präsident des Branchenverbandes Oesterreichs Energie, Michael Strugl, am Mittwoch zum Entwurf eines Raumplanungsgesetzes, den Burgenlands LH Hans Peter Doskozil laut Medien aber möglicherweise noch überarbeitet.

Nicht nur aus der Energiebranche, sondern auch seitens der „Kronjuristen“ dieser Republik gebe es wegen verfassungsrechtlicher Bedenken Kritik an dem Entwurf – demzufolge das Land künftig bei Flächen über 100 m2 die Verfügungsgewalt haben möchte. Das passe nicht mit den PV-Ausbauzielen zusammen, sagte Strugl vor Journalisten.

Strugl erinnerte daran, dass sich von den erforderlichen zusätzlichen 11 Terawattstunden (TWh) bis 2030 wohl nur etwa 4 TWh an Gebäuden (Dächern, Fassaden) realisieren lassen, wie dies heuer eine Studie von FH-Prof. Hubert Fechner, Energieexperte vom Technikum Wien ergeben hat. Selbst samt Verkehrs- und Deponieflächen käme man nur auf 5,3 TWh. Der Rest, also beinahe 6 TWh, müsse in irgendeiner Form auf neue Freiflächen entfallen, so Strugl: „Hier muss es ein Ziehen am selben Strang und in die selbe Richtung geben, damit die 11 TWh gelingen.“

Auch zum Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG), dessen Entwurf noch bis Mitte kommender Woche in Begutachtung ist, übt die E-Wirtschaft im Zusammenhang mit dem PV-Ausbau Kritik. Sie hält den darin vorgesehenen Abschlag von 30 Prozent auf die Förderungen für PV-Anlagen, die auf Freiflächen errichtet werden, für „deutlich zu hoch und durch Kostenvorteile nicht zu begründen“. Dagegen würden Zuschläge für schwierige Lagen völlig fehlen. Anstelle von Lenkungseffekten drohe ein schleppender Ausbau, der die PV-Ziele gefährde. Gerade Freiflächenanlagen könnten aufgrund ihrer Größe und Effizienz einen überproportionalen Beitrag leisten.

Ablehnt wird von der E-Wirtschaft auch die Einführung einer zusätzlichen ökologischen Prüfung von Wasserkraftanlagen im Rahmen der Förderung, wie sie der EAG-Entwurf vorsieht. Bereits jetzt werde die Ökologie solcher Anlagen im Rahmen der Genehmigung streng kontrolliert, man wolle keine doppelte Prüfung. Bereits jetzt dauere die Genehmigung eines Wasserkraftwerks im Durchschnitt fünf Jahre.

Die geplanten Energiegemeinschaften und die Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften unterstützt die E-Wirtschaft grundsätzlich – für die Netzebenen 6 und 7. Regionale Energiegemeinschaften auf der höheren Netzebene 5 lehnt man wegen der damit verbundenen technischen Probleme aber ab. Ebenso möchte man nicht, dass es Bürgerenergiegemeinschaft erlaubt wird, künftig eigene Verteilnetze zu betreiben. Mündlich habe es zwar schon Zusagen gegeben, dass dies nur konzessionierten Netzbetreibern vorbehalten sein solle, hieß es am Mittwoch, im Entwurf stehe die Erlaubnis aber drinnen. Zudem will man gesichert wissen, dass auch Bürgerenergiegemeinschaften Systemverantwortung tragen und selbst für die von ihnen benötigte Ausgleichsenergie zu sorgen haben.

Eine Finanzierungslücke sieht die E-Wirtschaft noch bei der Netzreserve. Für den Betrieb von Kraftwerken, die sich zwar nicht mehr rechnen, die aber für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit weiter unerlässlich seien, müsse es eine langfristige und wirtschaftlich faire Grundlage geben. Derzeit würden im Entwurf die Kosten für die Betreiber der Anlagen noch nicht tatsächlich abgebildet, bemängelte Strugl. „Der aktuelle Gesetzesvorschlag ist höchst problematisch, da er keine langfristige wirtschaftliche Absicherung für thermische Kraftwerke bietet“, heißt es. Eine Orientierung am Durchschnitt der Angebote als Referenzwert und davon noch 10 Prozent Abstrich zu machen, sei nicht genug, um die Reservekapazität realisieren zu können, so Strugl. Es dränge aber die Zeit, denn ab Oktober 2021 müsse hier eine neue Regelung gelten, und für die müsse es rechtzeitig davor Rechtssicherheit geben.

Die Versorgungssicherheit liege in Österreich zwar bei fast 100 Prozent – es gebe nur 25 Minuten nicht avisierte Unterbrechungen -, das gebe es aber nicht zum Nulltarif, sagte Strugl. Derzeit müsse der Übertragungsnetzbetreiber APG jährlich 270 bis 280 mal mit Redispatch ins Netz eingreifen, heuer bis September bereits fast 200 mal. Dafür seien bisher 100 Mio. Euro ausgegeben worden, Schätzungen fürs Gesamtjahr liegen bei 150 Mio. Euro. Dieser Tage hatte APG-Vorstand Gerhard Christiner 120 der 150 Mio. Euro dem Fehlen der 380-kV-Salzburg-Leitung angelastet, die nach grünem Licht des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) aber nun gebaut werden darf. Die Kapazität für Redispatch kommt laut Strugl zu 80 Prozent aus fossilen Kraftwerken, zum Rest aus Pumpspeicherwerken.

APA