Joe Kaeser ist sichtlich zufrieden: Trotz Corona kann der scheidende Siemens-Chef bei seiner letzten Jahresbilanz einen Milliardengewinn vorlegen. Zwar sank das Ergebnis im abgelaufenen Geschäftsjahr um ein Viertel, doch unter dem Strich stehen immer noch 4,2 Milliarden Euro, wie der deutsche Konzern am Donnerstag in München mitteilte. Dabei half ein Schlussspurt im vierten Geschäftsquartal: Alleine von Juli bis September verdiente Siemens 1,9 Milliarden Euro.
Siemens habe „ein bemerkenswertes Geschäftsjahr mit einem starken vierten Quartal abgeschlossen“, sagte Kaeser. Das Unternehmen sei „hervorragend aufgestellt“, nachdem es in den vergangenen Monaten sein Energiegeschäft als Siemens Energy an die Börse gebracht und – bereits im laufenden neuen Geschäftsjahr – die Antriebstochter Flender für rund 2 Milliarden Euro verkauft hat.
Kaeser blickte auch auf seine Zeit an der Siemens-Spitze zurück, an die er 2013 gerückt war. Damals habe er gesagt, er werde hart dafür arbeiten, das Unternehmen in einem besseren Zustand zu übergeben, als er es bekommen habe. Zu bewerten, ob ihm das gelungen sei, liege aber an anderen. Er betonte aber auch: „Insgesamt gesehen haben wir im Laufe der Jahre eine wirklich gute und besonders zuverlässige Erfolgsserie geliefert.“ Er sei stolz darauf, was Siemens erreicht habe. „Es hätte mehr sein können, vielleicht sogar sollen, aber vielleicht nicht unbedingt müssen.“
Mit Blick auf seinen Abschied bei der Hauptversammlung im Februar sagte Kaeser, er spüre keine bittere Note darüber, dass diese ohne Aktionäre vor Ort stattfinden werde. Er habe sich immer dann geäußert, wenn es etwas zu sagen gegeben habe. Das sei teilweise auch kritisiert worden, wenn es um gesellschaftspolitische Anliegen ging. Ihm gehe es um das, was bleibe und nicht um Standing Ovations: „Wenn die Leute aufstehen, setzen sie sich auch wieder. Und dann ist es auch vorbei und man geht zur Tagesordnung über.“
Der Frage, ob er sich vorstellen könne, in zwei Jahren als Aufsichtsrat zu Siemens zurückzukehren, ließ Kaeser unbeantwortet. Bei der abgespaltenen Siemens Energy ist er Aufsichtsratsvorsitzender.
Für das seit Oktober laufende neue Geschäftsjahr 2020/21 erwartet Siemens eine Erholung trotz Gegenwinds. Obwohl der Konzern „erhebliche Belastungen“ aus Währungseinflüssen mit einem negativen Einfluss von rund einer halben Milliarde Euro erwartet, soll der Gewinn „moderat“ steigen, wie Finanzvorstand Ralf P. Thomas sagte.
Die Zahlen des neuen Geschäftsjahres liegen bereits in der Verantwortung des designierten Kaeser-Nachfolgers Roland Busch. Er sprach von einem neuen Kapitel in der 173-jährigen Geschichte des Unternehmens. Siemens habe sich von einem „Konglomerat in ein fokussiertes Technologieunternehmen gewandelt“.
Und der Umbau ist noch nicht beendet, auch wenn die anstehenden Schritte zunächst kleiner sind. So will Busch den Bereich Intelligent Traffic Systems (ITS) zum Ende des laufenden Geschäftsjahres aus der Mobilitätssparte ausgliedern. Dazu, wie es danach für den Bereich mit rund 600 Millionen Euro Umsatz weitergehen soll, äußerte Sich Busch nicht.
Auf das Joint Venture mit dem französischen Autozulieferer Valeo hat Siemens indes fast eine halbe Milliarde Euro abgeschrieben. Das Gemeinschaftsunternehmen schreibe seit seiner Gründung 2016 Verluste, begründete Finanzvorstand Thomas die Wertberichtigung von 453 Millionen Euro. „Wir gehen davon aus, dass sich daran auch mittelfristig nichts ändert.“ Valeo Siemens mit Sitz in Erlangen baut Komponenten für Elektroautos und Hybridfahrzeuge. In Medienberichten hatte es Anfang des Jahres geheißen, Siemens werde seine Anteile an dem Unternehmen mit rund 2.500 Mitarbeitern bis Ende 2021 an Valeo abgeben. Der Technologiekonzern aus München äußerte sich dazu nicht. Valeo Siemens werde sein „Transformationsprogramm weiter umsetzen“, sagte der künftige Vorstandschef Busch nur.
An der Börse kam die Siemens-Aktie nach der Vorlage der Zahlen allerdings deutlich unter Druck. Analysten zufolge enttäuschte insbesondere der zurückhaltende Ausblick die Anleger. Auch den Gewinnrückgang im abgelaufenen Geschäftsjahr werden die Anleger zu spüren bekommen: Als Dividende sollen 3,50 Euro je Anteil vorgeschlagen werden – 40 Cent weniger als vor einem Jahr.
APA/dpa