Vom EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel fordern Europaabgeordnete Klarheit in den strittigsten Punkten. „Die Hängepartie muss jetzt endlich aufhören. Wir brauchen konkrete Ergebnisse beim EU-Budget, beim Post-Brexit-Handelspakt, bei den Türkei-Sanktionen und neuen CO2-Grenzwerten für 2030“, forderte SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder am Donnerstag in einer Aussendung.
Gegenüber Polen und Ungarn müsse die EU in den Budgetverhandlungen jedenfalls hart bleiben, so Schieder. „Wer Rechtsstaatlichkeit mit Füßen tritt, darf keine EU-Förderungen mehr kassieren. Die EU ist nicht der Bankomat, um autoritäre Machtfantasien zu finanzieren. Deshalb ist die Einigung auf einen Rechtsstaatsmechanismus so wichtig. Wir werden den Kompromiss, der jetzt am Tisch liegt, eingehend prüfen, notfalls müssen die restlichen 25 EU-Staaten den Weg zu den Corona-Hilfsgeldern ohne Polen und Ungarn gehen.“
Die Delegationsleiterin der Grünen im Europaparlament, Monika Vana, kritisierte die von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ausgehandelte interpretative Erklärung, um Polen und Ungarn zum Einlenken zu bringen. Diese sei „kein Kompromiss, sondern bedeutet eine nachhaltige Schwächung des Rechtsstaatsmechanismus, womit dieser zum Rohrkrepierer wird“, sagte Vana. Jede Alternative zum bereits fertig verhandelten Mehrjahresfinanzrahmen sei eine weitere Verwässerung und Verzögerung, die sich die EU nicht leisten könne.
Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, (ÖVP) warnte in Hinblick auf den kolportierten Kompromiss ebenfalls: „Wenn der Rat – wie geplant – die Umsetzung des Rechtsstaatsmechanismus auf die lange Bank schiebt, ist das inakzeptabel. Wer gegen unsere Werte verstößt, soll ab sofort keine EU-Gelder kassieren dürfen. Alles andere verhöhnt gemeinsame Werte und ist ein Bruch mit dem Geist der EU.“ Einstimmigkeit und Nationalismus seien Gift für die Einigung Europas, „das ist kein Kompromiss, sondern eine kalte Erpressung“.
Kritik übten die EU-Abgeordneten auch an der Haltung der Staats- und Regierungschefs zum Klimaziel 2030. „Im EU-Parlament haben wir uns bereits für ein Reduktionsziel von 60 Prozent an Treibhausgasen bis 2030 ausgesprochen“, sagte Schieder. Einen solchen Weitblick würde er sich auch von den Regierungschefs erwarten. Außerdem sei es längst an der Zeit, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei endgültig abzubrechen und aufgrund der anhaltenden Provokationen vor der griechischen und zypriotischen Küste Sanktionen auf den Weg zu bringen.
Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, kritisierte einen „Kuhhandel um Rechtsstaatlichkeit, das EU-Budget und das 2030-Klimaziel“. Es fehle ein ehrliches Bekenntnis zur Klimaneutralität für jedes Mitgliedsland, ein europaweites Treibhausgas-Budget und es fehlten wirksame Strafzahlungen sowie Sanktionen bei Nichterreichung der Klimaziele.
APA