Der EU-Gipfel hat sich zur Nutzung von Erdgas als Übergangslösung zum Erreichen der gemeinsamen Klimaziele bekannt. Die Mitgliedstaaten könnten „die geeignetsten Technologien“ frei wählen, „einschließlich Übergangstechnologien wie Gas“, erklärten die Staats- und Regierungschefs am Freitag. Zuvor hatten die 27 Mitgliedstaaten durch die gesamte Nacht verhandelt, um sich auf eine Verschärfung des Klimaschutzziels für 2030 zu verständigen.
Die EU hat sich verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu sein – also nicht mehr Treibhausgas zu produzieren als durch Wälder und andere natürliche CO2-Speicher ausgeglichen werden kann. Um dies zu erreichen, ist eine Verschärfung des Zwischenziels für 2030 nötig, das bisher bei 40 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 liegt. Bei einigen östlichen Mitgliedstaaten, die stark von Kohle abhängig sind, gibt es allerdings Bedenken.
Dem nun beschlossenen neuen Zwischenziel zufolge sollen die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent sinken. Aus Diplomatenkreisen hieß es, insbesondere Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki habe diese Einigung lange blockiert und Garantien gefordert, dass sein Land für den notwendigen Umbau der Wirtschaft genügend finanzielle Unterstützung erhalte.
Die Schlussfolgerungen des Gipfels sprechen nun von einem „verbindlichen EU-Ziel“, das „gemeinschaftlich“ unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten erreicht werden soll. Die Vorgabe, dass jedes einzelne der 27 EU-Länder seinen CO2-Ausstoß um 55 Prozent verringern muss, gilt demnach nicht. Stattdessen sollen die „unterschiedlichen Ausgangspositionen und spezifischen nationalen Gegebenheiten und Emissionsminderungspotenziale (…) sowie bereits unternommenen Anstrengungen berücksichtigt werden“.
Polen, Litauen und weitere Länder hatten gefordert, in erster Linie die Wirtschaftskraft der Mitgliedstaaten als Kriterium für die Festlegung ihrer nationalen Zielvorgaben festzuschreiben.
Neben Erdgas hatten einige Länder auch auf eine Einstufung von Kernenergie als „Übergangstechnologie“ gedrängt. Neben osteuropäischen Ländern gilt vor allem Frankreich als Verfechter des Atomstroms. Die Kernenergie wird in den Schlussfolgerungen nun nicht explizit erwähnt, die Formulierung lässt eine Einstufung als Übergangstechnologie aber zu – und damit eventuell die Möglichkeit zur finanziellen Förderung.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte vor dem Treffen gewarnt, die Klimaschutz-Ambitionen dürften nicht zu einem Ausbau der Produktion von Atomstrom führen. „Sonst beißt sich die Katze in den Schwanz.“ Neben Luxemburg gilt Österreich als schärfster Gegner neuer Atomkraftwerke. Österreich wehrt sich seit langem gegen Pläne für den Bau neuer Kernkraftwerke im Nachbarland Tschechien.
APA/ag