10 Jahre Fukushima – Kernenergie-Abkehr in Europa

9. März 2021, Wien
Ein Tsunami löste die Reaktorkatastrophe von Fukushima aus
 - Okuma, APA (AFP/Air Photo Service)

Der Reaktorunfall am 11. März 2011 in Fukushima Daiichi (Japan) bewirkte in Europa, in den USA und Japan eine teilweise Abkehr von der Kernenergie, nicht aber in China und Russland. Das erklärte der Wiener Atomsicherheits-Experte Nikolaus Müllner der APA in Vorfeld einer Onlineveranstaltung zum 10. Jahrestag der Katastrophe. Weltweit wurden danach die Atommeiler aufgerüstet und sollen laut Richtlinien der Internationalen Atombehörde (IAEA) nun auch Kernschmelzen verkraften.

„In Europa und den USA ist es sicher zu einem Umdenken gekommen“, sagte Müllner, der am Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien arbeitet. Manche Länder wie Deutschland und die Schweiz haben nach dem Unfall in Fukushima den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen und Italien sagte einen damals geplanten Wiedereinstieg ab. In Frankreich setzte man sich zum Ziel, den Anteil der Kernenergie in der Stromerzeugung zu reduzieren. „Auch in den USA ist man eher von der Kernenergie abgegangen, es gibt dort nur mehr sehr wenige Projekte, die noch dazu sehr lange Verzögerungen erfahren“, so der Forscher.

„China setzt aber nach wie vor auf die Kernenergie. Dort hat man nur ein kurzes Innehalten nach der Katastrophe in Japan gesehen“, erklärte er. Auch in Russland sei man mehr oder weniger bei der Linie geblieben, dass Atomenergie eine wichtige Technologie für das Land sei. Allerdings habe man dort die Vorkehrungen gegen schwere Unfälle verstärkt.

Zusätzlich gäbe es ein paar Kandidaten, die Kernenergie ausbauen wollen. „Zum Beispiel die Türkei, Ägypten und andere afrikanische Staaten, sowie Indonesien“, so der Experte. Bei manchen könnten reale Projekte entstehen, bei anderen wird es vielleicht bei der Intention bleiben, meint er.

In Japan selbst sei nicht ganz klar, wie sich die Situation weiterentwickeln wird, erklärte Müllner. Zunächst hat man alle Reaktoren vom Netz genommen und überprüft. Wenn die Betreiber sie wieder ans Netz bringen wollten, mussten sie strenge Wiederinbetriebnahme-Verfahren durchlaufen. Deshalb sind von den 33 betriebsbereiten Reaktoren in Japan aktuell nur wenige eingeschaltet. Es sei auch unklar, wie groß die Strahlenbelastung im von der Katastrophe vor zehn Jahren unmittelbar betroffenen Gebiet ist, die Berichte dazu seien widersprüchlich. Einerseits würden die Menschen teilweise aufgefordert wieder dorthin zurückzukehren, andererseits habe etwa Greenpeace jüngst behauptet, dass die Strahlenbelastung noch zu hoch dafür sei, so der Experte.

Es gäbe auch keine umfassenden wissenschaftlichen Daten, wie sehr die Katastrophe die Einstellung der Bevölkerung bezüglich der Atomkraft beeinflusst hat, sagte Müllner. „Mein Eindruck ist, dass solche Unfälle die Risiken der Atomkraft doch immer sehr stark ins Bewusstsein der Menschen rücken, sich das Ganze aber im Lauf der Zeit wieder verringert“. In Österreich sei man jedenfalls im Vergleich zu anderen Ländern Europas und weltweit der Atomkraft gegenüber sehr kritisch und skeptisch eingestellt.

Nach dem Reaktorunfall in Fukushima hat sich im Bewusstsein der Verantwortlichen einiges bezüglich Sicherheit getan: „Früher mussten die Kraftwerke für sogenannte auslegungsüberschreitende Störfälle, wie eine Kernschmelze, nicht vorbereitet sein“, so Müllner: „Man hat sich gedacht, man kann Reaktoren so sicher machen, dass eine Kernschmelze nicht vorkommt.“ Der Unfall in Fukushima hat dies widerlegt, und so müssen die Kraftwerke laut Standards der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) nun sicher mit Kernschmelzen umgehen können. Solche Vorfälle sind seit 2012 als „Design extension conditions“ in den Sicherheitsstandards inkludiert.

Die Onlineveranstaltung „10 Jahre nach Fukushima – die Zukunft der Kernenergie“ wird vom Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Boku organisiert. Sie findet am Donnerstag und Freitag (11. und 12. März) statt.

Service: Informationen zu dem Symposium:

APA

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