Japan will kontaminiertes Fukushima-Wasser ins Meer leiten

13. April 2021, Tokio

Japan will trotz Protesten aus China und Südkorea mehr als eine Million Tonnen kontaminiertes Wasser aus dem zerstörten Atomkraftwerk Fukushima ins Meer leiten. Die Arbeiten dazu würden in etwa zwei Jahren beginnen und Jahrzehnte dauern, teilte die Regierung in Tokio am Dienstag mit. Vor dem Ablassen werde das Wasser zur Entfernung schädlicher Stoffe gefiltert und verdünnt. Ähnlich behandeltes Wasser werde routinemäßig von Atomkraftwerken in aller Welt abgelassen.

China nannte das Vorhaben „extrem unverantwortlich“. Es gefährde die Gesundheit der Bevölkerung in Japans Nachbarländern. Das am Meer gelegene Atomkraftwerk war im März 2011 durch ein Erdbeben mit anschließendem Tsunami zerstört worden. Dabei war auch Wasser in die Anlagen eingedrungen. Es war das schwerste Reaktor-Unglück seit Tschernobyl 1986. Auf dem Gelände sind inzwischen 1,3 Millionen Tonnen verseuchtes Wasser gelagert. Der Kraftwerks-Betreiber Tepco hat erklärt, dass ab 2022 keine Lagerkapazitäten mehr vorhanden seien.

Vor dem Einleiten ins Meer sollen aus dem gelagerten Wasser nach Angaben von Tepco schädliche Isotope herausgefiltert werden. Einzig Tritium, ein radioaktiver Stoff, der sich nur schwer vom Wasser trennen lässt, sei dann noch darin enthalten. Das Wasser soll anschließend verdünnt werden, bis der Tritium-Anteil unter einer von den Behörden festgelegten Schwelle ist und ins Meer geleitet werden kann. Andere Kraftwerke auf der Welt pumpen regelmäßig Wasser mit einem geringen Tritium-Gehalt ins Meer.

China forderte Japan zu mehr Konsultationen über das Vorhaben auf. Es widerspreche den vitalen Interessen der Menschen in den Nachbarländern. Südkorea äußerte sich ähnlich. „Diese Entscheidung der japanischen Regierung kann nicht akzeptiert werden“, sagte der Minister für die Koordinierung der Regierungspolitik, Koo Yun Cheol, in Seoul. Koo warf Tokio vor, einseitig entschieden zu haben, ohne sich vorher ausreichend mit den Nachbarländern zu beraten. Die Freisetzung von verstrahltem Wasser bedrohe die Sicherheit dieser Länder und die Meeresumwelt. Das Außenministerium habe den japanischen Botschafter in Seoul, Koichi Aiboshi, einbestellt, um Südkoreas Bedauern wegen der Entscheidung zu äußern und dagegen Protest einzulegen, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap.

Viel Kritik kam auch aus Österreich, für Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigt das geplante Vorgehen in Japan auf, dass Atomkraft „eine extrem gefährliche und teure Technologie mit unvorhersehbaren Langzeitfolgen“ bleibt. Es gebe nur eine sichere und nachhaltige Option, wie wir zukünftig Energie produzieren: Zu 100 Prozent mit Erneuerbaren aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse.“ „Die Schäden werden somit einfach auf die lokale Bevölkerung umgewälzt“, kommentiert Martin Litschauer, Anti-Atomenergie Sprecher der Grünen, die Pläne der japanischen Regierung. „Die Investition in eine sichere Lagerung an Land ist wohl das Minimum an Kompensation für die Folgen der Katastrophe.“ Auch Experten wiesen darauf hin, dass radioaktiv verseuchtes Wasser auf dem Gelände zwar behandelt werden, aber das Filtersystem ALPS das Isotop Tritium nicht herausfiltern kann. Die Regierung und auch der Betreiber argumentieren, Tritium sei in geringen Mengen nicht schädlich für die menschliche Gesundheit.

Die Umweltorganisation Global 2000 nannte das Vorgehen der japanischen Entscheidungsträger „verantwortungslos“, Greenpeace Österreich wandte sich in einer Aussendung ebenfalls gegen das Vorgehen. Kazue Suzuki, Klimawandel- und Energieexperte bei Greenpeace Japan, berief sich auf die Gegnerschaft der Öffentlichkeit gegen eine derartige Lösung: „Wenn die japanische Regierung beschließt, radioaktives Wasser in den Ozean einzuleiten, waren die öffentlichen Anhörungen und die Einbindung von Fischereigruppen in den Entscheidungsprozess am Ende nicht mehr als reine Formalität.“

Fischerei-Gewerkschaften in Fukushima fordern seit Jahren, auf das Ablassen des Wassers ins Meer zu verzichten, auch weil dies „katastrophale Auswirkungen“ für die Branche haben würde. Die US-Regierung teilte indes mit, Japan habe in der Frage mit der Internationalen Atomenergiebehörde zusammengearbeitet und seine Entscheidung transparent gestaltet. Es sehe so aus, als ob ein Ansatz gewählt worden sei, der den weltweit anerkannten Standards für nukleare Sicherheit entspreche.

Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga erklärte, das Vorhaben sei unvermeidlich, um das Kraftwerk außer Betrieb zu setzen und das Gebiet Fukushima wieder aufzubauen. Der Regierung lag sehr daran, auf den Filterungs- und Verdünnungsprozess vor der Einleitung hinzuweisen. In einer Email an Medien hatte es am Montag geheißen, man möge den Begriff „kontaminiert“ in der Berichterstattung nicht verwenden, da er irreführend sei.

APA/ag

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