Der türkische Energieversorger Karpowership stoppt die Stromlieferung an den tief in einer Wirtschaftskrise steckenden Libanon. Hintergrund seien Zahlungsrückstände und angedrohte rechtliche Schritte, teilte das zum Energiekonzern Karadeniz gehörende Unternehmen am Freitag mit. Von zwei vor der Küste des Libanons festgemachten schwimmenden Kraftwerken werde kein Strom mehr geliefert. Einem Insider zufolge wurden die Generatoren gegen 08.00 Uhr abgestellt.
Das Unternehmen hat bisher den Libanon mit 370 Megawatt versorgt, das ist etwa ein Viertel der derzeitigen Gesamtversorgung. Diese Woche hatte das Unternehmen der Regierung in Beirut mitgeteilt, die Lieferung werde unterbrochen, sollten die Probleme nicht geklärt werden.
Seit 18 Monaten zeige sich Karpowership dem Libanon gegenüber außerordentlich flexibel, weil das Land in großen Schwierigkeiten stecke, teilte das Unternehmen mit. Kontinuierlich sei Strom geliefert worden – ohne Bezahlung und ohne einen Plan dafür. Kein Unternehmen könne aber in einem Umfeld mit derartigen Risiken arbeiten. Dem Insider zufolge belaufen sich die Zahlungsrückstände auf mehr als 100 Millionen Dollar (83 Mio. Euro). Trotz wiederholter Appelle sei die Regierung nicht zu Gesprächen über eine Lösung des Problems bereit gewesen.
Vielmehr drohte ein libanesischer Staatsanwalt unlängst, die schwimmenden Kraftwerke zu beschlagnahmen und eine Strafe gegen die türkische Firma zu verhängen. Hintergrund waren Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Liefervertrag, über die der libanesische Fernsehsender Al-Dschadid berichtet hatte. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.
Mit der Abschaltung drohen den Menschen im Libanon, der ohnehin nicht über ausreichend Energieversorgung verfügt, nun noch längere Stromausfälle. Das Land ist hoch verschuldet, es leidet seit längerem unter Korruption, hoher Arbeitslosigkeit und Misswirtschaft. Anfang August 2020 kam es zudem zu einer gewaltigen Explosion am Hafen von Beirut, bei der 190 Menschen getötet und mehr als 6.500 verletzt wurden. Rund 250.000 Menschen wurden obdachlos. 2.750 Tonnen hochexplosiven Ammoniumnitrats, die der Regierung zufolge sechs Jahre lang ungesichert im Hafen gelagert wurden, waren infolge eines Brandes detoniert.
APA/ag