Hitze in Kalifornien gefährdet Stromversorgung

29. Juni 2021, Washington

Extremwetter rollt auf den Nordwesten der USA zu / Unsichere Elektrizitätserzeugung wird zum Problem

Dem bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat Kalifornien und anderen Westküsten-Bundesstaaten steht an diesem Wochenende eine Hitzewelle bevor, die die Energieversorgung in Bedrängnis bringt. Im schlimmsten Fall drohen Stromausfälle bei Temperaturen zwischen 40 und 45 Grad. Die Hitzewelle rollt auf Nordkalifornien, Washington und Oregon zu – Regionen, in denen viele Häuser keine Klimaanlagen haben. Computermodelle zeigen unisono ein außergewöhnlich stabiles Hochdruckgebiet über weiten Teilen des Nordwestens der Vereinigten Staaten. Amerikanische Meteorologen sprechen von einem „heat dome“, einer Hitzekuppel.


Bürger sollten Vorsorge treffen, sich ins Kühle retten zu können, sagte Jesse Jenkins, Energieexperte der Princeton-Universität. Er rechnet fest mit Stromausfällen, weil die zuvor schon lang anhaltende Trockenheit die Becken von Wasserkraftwerken, die vor allem in Kalifornien (15 Prozent) und Washington (70 Prozent) eine wichtige Rolle in der Stromversorgung spielen, geleert hat. Gleichzeitig steige der Verbrauch.


Viele Kalifornier fühlen sich an die Stromausfälle im August des vergangenen Jahres erinnert, als der Stromnetzbetreiber die Versorgung stundenweise und sogar tageweise in verschiedenen Regionen abklemmte, um die Netzstabilität zu sichern. Die vom Gouverneur Gavin Newsom angeordnete Untersuchung fördert zutage, dass zum einen vor allem in den Abendstunden schlicht mehr Strom verbraucht wurde, als erwartet worden war. Ein zweiter Faktor war die Wende hin zu erneuerbaren Energien und weg von Kraftwerken, die beständig sicher Strom liefern.


Tatsächlich bedrohen, wie Energieexperte Mark Nelson ausführt, Hitzewellen nahezu alle Formen der Stromerzeugung. Gaskraftwerke, die in Kalifornien immerhin ein Drittel des Stroms beisteuern, laufen bis zu 20 Prozent weniger effizient wegen der mangelnden Kühlung. Jenkins, starker Befürworter der Energiewende, fürchtet, dass die Windräder in Hochdruckphasen wie diesen schlicht stillstehen, während sie sonst für rund 10 Prozent der Stromproduktion stehen. Paradoxerweise sind auch Solarzellen, die ebenfalls 10 Prozent der Stromversorgung sicherstellen, deutlich weniger effektiv bei Höchsttemperaturen, die 25 Grad Celsius übersteigen. Das gilt selbst für die Großbatterien, die zunehmend installiert werden, um die Volatilität von Wind- und Sonnenenergie auszugleichen.
Die verbliebene sichere Energiequelle ist Kaliforniens einzig verbliebenes Atomkraftwerk in San Luis Obispo nördlich von Los Angeles. Es kann laut Nelson jetzt noch verlässlich Strom liefern, weil es durch den Pazifischen Ozean gekühlt wird und nicht wie inländische Kraftwerke durch Flüsse, die Niedrigstände aufweisen. Ein zweites Atomkraftwerk in der Nähe von San Diego wurde vor einigen Jahren geschlossen. Auch das jetzt noch aktive Kernkraftwerk soll bis 2024 vom Netz gehen. Umweltorganisationen hatten sich erfolgreich für die Abschaltung eingesetzt. Wachsende Umweltauflagen und die Konkurrenz durch staatlich geförderte erneuerbare Energie stellten nach Analyse des Betreibers Pacific Gas and Electric Company die langfristige Rentabilität des Kraftwerks infrage. Er entschied sich deshalb, keine Verlängerung der Betriebszulassung zu beantragen. Das Atomkraftwerk mit seinen beiden Reaktoren liefert rund 15 Prozent des Strombedarfs des Bundesstaats. Ersatz ist bisher nicht in Sicht, bei steigendem Strombedarf. Die Schließung des Kernkraftwerks San Onofrio im Jahre 2013 hatte Gaskraftwerken Auftrieb gegeben.


Mehr Importe sind keine Lösung. Kalifornien ist schon der größte Stromimporteur der Vereinigten Staaten. Rund 25 Prozent kommen von Nachbarn, die allerdings ihre eigenen Sorgen und Ziele haben. Der Lieferant Utah beispielsweise will einen Teil seiner Kohlekraftwerke stilllegen, um zum Klimaschutz beizutragen. Washington pflegt bisher seine überschüssige Energie aus Wasserkraft in den Sommermonaten nach Kalifornien zu verkaufen. In welchem Umfang das gelingt, ist angesichts der drohenden Hitzewelle ungewiss.

Ähnliche Artikel weiterlesen

„Wollen grüne Energie, nicht teure Energie“

26. April 2024

Global rasanter Anstieg bei installierter Batterieleistung

25. April 2024, Wien/Paris
Wind- und Solarstrom muss in Batterien zwischengespeichert werden
 - Middelharnis, APA/AFP/ANP

Wifo-Chef: „Keine Katastrophenstimmung“ wegen Russland-Gas

24. April 2024, Wien
Gabriel Felbermayr kalmiert
 - Wien, APA/GEORG HOCHMUTH

Industrie bangt um Gasversorgung ab Jahresende

22. April 2024, Wien
Industrie braucht Lieferung von russischem Gas über die Ukraine
 - Lubmin, APA/dpa