Verbund-Chef: Österreich muss bei Wasserstoff aktiver werden

30. Juni 2021, Wien
Strugl ortet mangelnde Regulatorik und Förderkulisse
 - Wien, APA/HANS PUNZ

Verbund-Generaldirektor Michael Strugl warnt davor, dass Österreich bei der Wasserstoff-Technologie den Anschluss verpassen könnte. Wolle sich unser Land hier positionieren, müssten jetzt die Weichen richtig gestellt werden, sagte Strugl vor Journalisten. Mit künftig noch mehr Erneuerbarem-Strom habe Österreich hier gute Voraussetzungen, es fehle aber die Regulatorik und eine Förderkulisse.

Ohne eigene Wasserstoff-Strategie, wie sie die EU oder auch Deutschland hätten, sei es für heimische Unternehmen schwierig, sich an länderübergreifenden Industriekonsortien, etwa sogenannten IPCEI-Wasserstoff-Projekten (Important Projects of Common European Interest), zu beteiligen. „Wenn man nicht dabei, ist man länger nicht dabei“, so Strugl.

Grüner Wasserstoff, der aus Strom gewonnen werde, habe großes Potenzial in der Stahl- und Chemieindustrie, aber auch in Raffinerien oder der Mobilität. Im Geschäft des Verbund könnte Wasserstoff eine Rolle spielen, falls man in die Erzeugung gehe. Zumindest die Kapitalkosten müsse man dabei aber verdienen, eine schwarze Null müsse gewährleistet sein.

Derzeit koste „grüner“, also erneuerbarer Wasserstoff (H2) etwa das Sechs- bis Neunfache wie „grauer“ Wasserstoff, der via Konversion aus fossilen Energieträgern wie Erdgas gewonnen wird – also bis zu 8 oder 9 Euro pro Kilo H2 gegenüber einem Euro bei grauem H2. Bis 2040 werde Österreich 750.000 bis 1 Mio. t Wasserstoff benötigen, verwies Strugl auf eine Studie von Boston Consulting (BCG). Ohne eine gewaltige Fördertangente werde es die großen Investitionen aber nicht geben – eine 100-Megawatt-Elektrolyse-Anlage (halbe Leistung von Freudenau) erfordere schon 150 bis 200 Mio. Euro an Investment.

Elektrolyseure, also die Anlagen zur Produktion von H2, würden primär dort entstehen, wo Strom billig sei. Sobald H2 ein Commodity sei und transportiert werde, könne die Erzeugung auch im Ausland erfolgen. Man sei jedoch verwundert, dass grüner H2, der Erdgas beigemischt werden könne, von der Förderung ausgeschlossen sein solle. Da sei ein „Show-Stopper“ im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) eingebaut, „das ist nicht konsistent mit dem, was man angekündigt hat“. Dabei sei das Blending eine gute Möglichkeit, Gas CO2-ärmer zu machen. Derzeit seien die Gaspipelines für bis zu 10 Prozent Beimischung kompatibel, durch Retro-Fitting könnten es bis zu 30 Prozent sein, ansonsten wäre ein weiteres Rohr nötig.

Die Mehrheit von 51 Prozent am Leitungsbetreiber Gas Connect Austria (GCA) habe man von der OMV erworben, weil dieses regulierte Geschäft das Portfolio des Verbund stabilisiere und sofort Geld („EBITDAs“) bringe. Denn der Verbund sei stark erzeugungslastig – heuer in einem recht trockenen Jahr – sowie mengen- und preisabhängig. Strategisch sei die GCA wegen der kommenden Sektorkopplung interessant, weil Strom- und Gasinfrastruktur für neue Flexibilitäten verbunden würden.

Mit der Energiewende zur Dekarbonisierung stehe ein umfassender Systemumbau bevor, bei dem neben der Erzeugung auch die Infrastruktur, also die Netze, sowie die Flexibilitäts- und Speicheroptionen mitgedacht werden müssten, sagte Strugl im Klub der Wirtschaftspublizisten. Saisonal müsse eine Strommenge von 10 Terawattstunden (TWh) vom Sommer in den Winter gebracht werden. Im ORF-Radio bezifferte er die Kosten für die bis 2030 zusätzlich geplanten 27 TWh an Erneuerbarer Produktion, um dann übers Jahr gesehen den Strom komplett erneuerbar zu erzeugen, mit 25 Mrd. Euro allein für Erzeugungsanlagen plus 18 Mrd. Euro für die Stromnetze, insgesamt mit 43 Mrd. Euro. „Die Energiewende kostet natürlich was – daher ist ein Ansteigen des Strompreises auch für den Endkunden sehr realistisch“, so der Verbund-Chef im Radio.

Der Verbund selbst will in den nächsten drei Jahren 2,3 Mrd. Euro in die Erzeugung und die Netzinfrastruktur stecken plus nochmals etwas mehr als eine halbe Milliarde in Speicherkraftwerke (Limberg III/Kaprun sowie Reißeck II+ in Kärnten). Die Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG) plane laut Netzentwicklungsplan (NEP) bis 2030 Investitionen von 3,1 Mrd. Euro, doch rechne er mit einem höheren Betrag, nachdem sich laufend viele dezentrale Stromerzeuger bei den Verteilnetzen anmelden und man deshalb auch das Übertragungsnetz verstärken müsse. Es sei gut, dass jetzt die 380-kV-Salzburg-Leitung gebaut werden könne – die sei nötig, um die Pumpspeicher im Westen anzuzapfen. Zuletzt musste recht häufig das nur noch zur Netzstützung aktive Verbund-Gaskraftwerk Mellach aktiviert werden; an 365 Tagen habe man 250 bis 260 Abrufe gehabt.

APA

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