Österreich muss seine Klimaanstrengungen deutlich nach oben schrauben. Hierzulande soll im Nicht-Emissionshandelsbereich der CO2-Ausstoß bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2005 reduziert werden, wie aus dem am Mittwoch von der EU-Kommission präsentierten Klimamaßnahmenpaket „Fit for 55“ hervorgeht. Vizekanzler Werner Kogler und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) begrüßten das Paket und sagten eine rasche und ambitionierte Umsetzung zu.
Mit dem Vorschlag der EU-Kommission liegt Österreich über dem EU-Durchschnitt von Minus 40 Prozent. Bisher waren es für die Alpenrepublik beim sogenannten Effort Sharing (Lastenteilung) Minus 36 Prozent. 50 Prozent an Einsparungen müssen die EU-Staaten Schweden, Luxemburg, Deutschland, Finnland und Dänemark liefern, heißt es weiter. Am unteren Ende der Skala befinden sich Bulgarien(-10 Prozent), Rumänien (-12 Prozent) und Kroatien (-16 Prozent).
Bei den großen Treibhausgas-Verursachern wie Verkehr, Gebäuden, Landwirtschaft und Müll müssen sich die 27 Nationalstaaten um eine Reduzierung kümmern. Beim Effort Sharing galt bisher: Je höher das Bruttoinlandsprodukt ist, desto mehr Emissionen müssen eingespart werden. Dieser Ansatz würde für einige Mitgliedstaaten allerdings relativ höhere Kosten verursachen, so die EU-Kommission in dem jüngsten Vorschlag. Daher wolle sie „die Ziele so anpassen, dass sie die Kosteneffizienz widerspiegeln“.
Österreich ist jedoch säumig beim Klimaschutz. Von der im Regierungsprogramm festgelegten Klimaneutralität bis 2040 ist man hierzulande noch weit entfernt. Im Zeitraum 1990 bis 2018 haben sich die Treibhausgas-Emissionen laut Europäischer Umweltagentur (EEA) kaum verändert, während andere Länder den Ausstoß deutlich reduzieren konnten. Der größte Faktor in Österreich ist der Verkehr: Seit 1990 ist im Verkehrssektor eine Zunahme der Treibhausgase um rund 74,4 Prozent zu verzeichnen.
Das Klimaschutzpaket rief in Österreich geteilte Reaktionen hervor. Kogler bezeichnete das EU-Klimapaket am Mittwoch als „eine sehr gute Grundlage, um letztlich die Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft zu ermöglichen“. Klimaschutz und soziale Absicherung müssten Hand in Hand gehen, betonte der Vizekanzler. „Umso wichtiger ist, dass wir ihren Umstieg auf klimafreundliche Alternativen erleichtern und zugleich einen sozialen Ausgleich schaffen, nicht nur innerhalb der EU sondern auch in den einzelnen EU-Staaten.“ Eine ambitionierte Gestaltung des Emissionshandels, die Neuorientierung der Energiebesteuerung an den Klima- und Energiezielen sowie die geplante Abfederung sozialer Auswirkungen auf Privathaushalte und Kleinunternehmen seien dabei wichtige Kernelemente, so Kogler. „Unser Ziel muss sein, als Europäische Union Spitzenreiterin beim Klimaschutz zu sein. Die heutige Initiative der EU-Kommission bringt uns ein Stück näher dorthin.“
Eine einheitliches Umstiegsdatum auf saubere Autos sei „sehr erfreulich“, betonte Gewessler. Auch ein Ende des Steuerprivilegs auf Kerosin sei ein wirklich gutes Zeichen für mehr Klimaschutz. Weitere Maßnahmen wie zum Emissionshandel, Effort-Sharing, die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs, ein schnellerer Umstieg auf Erneuerbare Energien und ein Fonds zur sozialen Gerechtigkeit will das Klimaschutzministerium in den kommenden Tagen prüfen. „Auf den ersten Blick ist das vorgestellte Paket gut und ambitioniert – und das braucht es damit wir unsere Ziele erreichen“, so Gewessler. Insbesondere auf die soziale Gerechtigkeit werde Österreich ein zentrales Augenmerk legen.
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) betonte, es gelte keine Zeit zu verlieren. „Die Vorschläge zur Emissionsreduktion von minus 55 Prozent bis 2030 sind nun sorgfältig zu prüfen. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und Industrie gewahrt bleibt.“
Othmar Karas, Vizepräsident des Europaparlaments und ein Vertreter der ÖVP im Energie- und Industrieausschuss, nannte das Paket einen „ersten guten Wegweiser. Durch Anreize und Förderungen muss sichergestellt werden, dass sich Investitionen in klimafreundliche Technologien und ein umweltbewusster Lebensstil lohnen.“ ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig forderte, dass klein- und mittelständischen Betriebe nicht belastet, sondern gezielt unterstützt werden.
Das EU-Klimapaket gebe die richtige Richtung vor, sagten die SPÖ-Europaabgeordneten Andreas Schieder und Günther Sidl. Klar sei, dass Transport- und Heizkosten in Zukunft erschwinglich sein müssen. Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen, betonte, Klimawandel und Umweltzerstörung seien eine existenzielle Bedrohungen für Europa und die gesamte Welt. Er forderte weitere Schritte: „Weg mit dem Kerosinsteuerprivileg für ausnahmslos alle Flüge innerhalb der EU.“
Vor massiven Belastungen für die Bürger warnte indes die FPÖ. „Sie bekommen jetzt die saftige Rechnung dafür präsentiert, dass Kommissionschefin Ursula von der Leyen unbedingt eine weltweite Vorreiterrolle spielen will, obwohl die EU nur für rund zehn Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich ist“, sagte FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky.
Die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon sagte, das angekündigte Verbot von Verbrennungsmotoren sei lediglich das Anerkennen der Realität. Die Kommission bediene die richtigen Hebel, so Gamon: „Der Emissionshandel ist das zentrale Instrument unserer Klimaschutzpolitik.
Umweltorganisationen halten das von der EU-Kommission vorgestellte Klimaschutzpaket für unzureichend. Das Paket „Fit for 55“ bleibe „in zu vielen Punkten zahnlos“, sagte Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000. „Völlig unzureichend und viel zu spät“ kämen die Klimaschutzmaßnahmen, kritisierte Jasmin Duregger von Greenpeace in Österreich. „Sie lassen Hintertüren offen und garantieren nicht den bitter nötigen, raschen Rückgang der klimaschädlichen Emissionen.“ Gute Ansätze, „aber insgesamt noch viel zu wenig“, lautet das Urteil von WWF-Klimasprecher Karl Schellmann.
APA